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Bild: umgestaltete Kyburgstrasse in Zürich, Foto: Camille Decrey
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Begegnen, bewegen, beleben – wie gelingts?

Der öffentliche Raum in Städten und Agglomerationen ist stark geprägt von Verkehrsflächen. Die Strassenräume haben oftmals keine hohe Aufenthaltsqualität, denn sie dienen in erster Linie dem von A nach B kommen. Um sowohl Aufenthaltsqualität als auch Sicherheit von Strassenräumen zu erhöhen, gibt es Begegnungszonen. 

In den letzten 20 Jahren sind immer mehr Begegnungszonen entstanden, was die gewünschte Wirkung in Bezug auf Sicherheit, Tempo- und Lärmreduktion mit sich brachte. Die beiden Städte Bern und Zürich gehören zu den Vorreiterinnen bei der Einrichtung von Begegnungszonen. Die Tempo 20 Zonen mit Vortritt für Fussgängerinnen und Fussgänger können an verschiedenen Orten sinnvoll sein: in Wohnquartieren, im Umfeld von Schulen, Bahnhofplätzen oder an belebten Einkaufsstrassen. Jedoch steckt noch ungenutztes Potenzial in der Gestaltung von Begegnungszonen für deren Belebung und Bedeutung als öffentliche Lebensräume, insbesondere in Wohnquartieren, wo die entsprechenden Flächen noch zu wenig als Spiel- und Aufenthaltsräume genutzt werden. Wie dieses Potenzial besser genutzt werden kann, wurde untersucht im Modellvorhaben «Begegnen, bewegen, beleben» von Fussverkehr Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Dachverband für Offene Kinder- und Jugendarbeit DOJ, Pro Juventute, der Berner Fachhochschule und dem Atelier OLGa. Dazu wurde im Sommer 2022 während drei Monaten jeweils eine Begegnungszone in Bern (Benteliweg) und Zürich (Kyburgstrasse) mit Anwohnenden zusammen temporär umgestaltet und belebt. Es wurden Parkplätze aufgehoben, der Boden bemalt, Möbel gebaut und bepflanzt. 

Wie kam das Projekt vor Ort an?

Die Reaktionen waren überwiegend positiv. Die Anwohnenden haben sich rege am Bauen von Möbeln und der Bepflanzung beteiligt und auch die Kleinsten haben mitgeholfen. Die Aktion lief erfreulich gut und es wurden deutlich mehr Interaktionen im öffentlichen Raum festgestellt. Es fand sogar eine Entschleunigung statt und man konnte sich in der umgestalteten Begegnungszone aufhalten und begegnen. Dies konnte durch eine wissenschaftliche Begleituntersuchung mit Rückmeldungen aus dem Quartier gezeigt werden. Anfängliche Bedenken wie eine Zunahme von Lärm und Festbetrieb durch die Umgestaltung an der Kyburgstrasse in Zürich wurden objektiv gesehen nicht festgestellt. Die aufgestellten Tische wurden oft für gemeinsames Essen, Trinken oder Brettspiele genutzt.

Auch am Benteliweg in Bern stiess das Projekt auf Begeisterung – vor allem bei Kindern, da die Strasse von Kindergärten und Kitas umgeben ist. Spielerische und kreative Aktivitäten nahmen deutlich zu und der Strassenraum wurde mit Leben erfüllt. Denn Kinder profitieren nicht nur von Bewegungsräumen im unmittelbaren Wohnumfeld, sie sind dort auch «Katalysatoren» für Begegnungen zwischen den Generationen. Kritik an dieser Umgestaltung gab es einzig in Bezug auf die Sicherheit vor der Umgestaltung, da die Strasse vom lokalen Gewerbe als Durchgangsstrasse genutzt wird. Der motorisierte Verkehr nahm jedoch mit der Umgestaltung ab. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, dass Autofahrerinnen und -fahrer das Tempolimit teilweise nicht berücksichtigen und nicht mit der Anwesenheit von spielenden Kindern rechnen. 

Wie gelingt die Belebung von Begegnungszonen konkret?

Video: Wie Begegnungszonen beleben? Quelle: Fussverkehr Schweiz (2023)

Die Projektträgerschaft erarbeitete die Broschüre «Begegnungszonen – viel Potenzial vor der Haustüre», einen Anleitung für die Belebung von Quartierstrassen. Von diesem neuen Planungsinstrument mit konkreten Tipps können auch andere Städte und Quartiere profitieren. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehören:

  • Am besten eignen sich Strassen für eine Umgestaltung, wenn die Bevölkerung dies explizit wünscht oder die Behörden ein Potenzial für Beruhigung, Sicherung oder Belebung sehen.
  • In der Verwaltung ist eine Projektleitung aufzustellen, idealerweise mit einem transdisziplinären Team aus verschiedenen Abteilungen wie Tiefbau, Verkehrsplanung, Werkhof, Stadtgrün, Stadtentwicklung, Gemeinwesenarbeit und Soziokultur. 
  • Genügend Zeit und Ressourcen für die Kommunikation mit den Betroffenen über verschiedene Kanäle über den Prozess hinweg einplanen. Klare Ansprechperson für Bevölkerung bestimmen.
  • Aktivitäten mit bestehenden Veranstaltungen im Quartier koordinieren. Synergien nutzen, nicht als Konkurrenz auftreten.
  • Juristische Vorschriften und Sicherheitsaspekte ausloten wie die Aufhebung von Parkplätzen, Durchfahrtswege für die Feuerwehr, Aufstellen von Mobiliar und Pflanzen, Farbgestaltung von Asphaltbelägen. 
  • Partizipatives Planen und Bauen trägt zur Identifikation mit dem Quartier bei. Die Bauaktion so planen, dass möglichst viele mitwirken können, auch Kinder. Besser als eine Übermöblierung ist die Schaffung von «Möglichkeitsräumen», die unterschiedliche Nutzungen zulassen.
  • Eine feierliche Einweihung zeigt Wertschätzung und signalisiert den Start der Belebung. Für eine permanente Belebung können gelegentliche Animationen sorgen, z.B. durch die Offene Kinder- und Jugendarbeit oder Kindergärten und Schulen.

Eine Haupterkenntnis ist zudem, dass die Belebung von Begegnungszonen von einer neuen Mobilitätskultur unterstützt werden soll, die den Strassenraum als Sozialraum anerkennt und sein Potenzial als wertvoller öffentlicher Raum ausschöpft. Weitere konkrete Tipps zu Bauen und Mobiliar sowie Normen und Richtlinien finden sich in der Broschüre. Darin wird auch auf andere temporäre Umgestaltungen verwiesen, wie z.B. der Aktion «Brings uf d’Strass» der Stadt Zürich, die bereits mehrfach durchgeführt wurde. 

Weitere Empfehlungen folgen 2024

Anfangs 2024 wird die Projektträgerschaft als Ergänzung zur Broschüre weitere Empfehlungen publizieren, die sich spezifisch an kommunale Verwaltungen und kantonale Ämter richten. Darin wird aufgezeigt, welche Kompetenz- und Handlungsbereiche der Behörden im Hinblick auf die Realisierung von temporären Strassenumgestaltungen wichtig sind und wie die Bedingungen für solche Vorhaben verbessert werden können. Zudem wird auch die Begleitstudie der Berner Fachhochschule dann veröffentlicht. Die Wirkungsanalyse zeigt die Nutzung und Wahrnehmung der beiden Strassenzüge auf. Die Publikationen werden unter anderem auf der Projektseite von Fussverkehr Schweiz veröffentlicht. 

Die Modellvorhaben der Periode 2020–2024 neigen sich dem Ende zu. Die Erkenntnisse werden in thematischen Berichten zusammengefasst und 2024 veröffentlicht. Neben den hier bereits dargelegten Erkenntnissen kann aus den insgesamt acht Modellvorhaben des Themenschwerpunkts «Siedlungen, die kurze Wege, Bewegung und Begegnung fördern» noch einiges gelernt werden, um die Lebensqualität in unseren Nachbarschaften zu erhöhen und unsere Gesundheit zu fördern. 

Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung (MoVo)

Acht Bundesämter fördern in der Periode 2020–2024 bereits zum vierten Mal gemeinsam innovative Projekte verschiedener Staatsebenen, um zur kohärenten Raumentwicklung beizutragen. Es handelt sich hierbei um eine gemeinsame Massnahme der Agglomerationspolitik sowie der Politik für die ländlichen Räume und Berggebiete.

Innerhalb von fünf thematischen Schwerpunkten werden 31 Vorhaben mit insgesamt 3,9 Millionen Franken unterstützt. Die aktuelle Periode umfasst folgende Schwerpunkte:

  • Digitalisierung für die Grundversorgung nutzen
  • Integrale Entwicklungsstrategien fördern
  • Landschaft ist mehr wert
  • Siedlungen, die kurze Wege, Bewegung und Begegnung fördern
  • Demographischer Wandel: Wohn- und Lebensraum für morgen gestalten

Weitere Informationen: modellvorhaben.ch oder über den E-Newsletter Modellvorhaben. (Bestellung: Senden Sie eine E-Mail mit Vermerk «Bestellung E-Newsletter Modellvorhaben» an modellvorhaben@are.admin.ch).

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Foto: umgestaltete Kyburgstrasse in Zürich, Quelle: Camille Decrey

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