Die Plattform für Regionalentwicklung in der Schweiz

Bild: Erich Sterchi.
Im Fokus

«Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter machen auch Regionalentwicklung»

Vernetzung, methodisches Wissen, um die Partizipation anzuregen oder wirkungsorientiert zu arbeiten und ein guter Draht zu Kindern und Jugendlichen: Jugendarbeiterinnen und -arbeiter sowie -beauftragte können viele Kompetenzen einbringen, die für die Regionalentwicklung wertvoll sind. Das Bewusstsein dafür muss allerdings vorhanden sein.

«Als Jugendarbeiter habe ich bereits zur Entwicklung meiner Region beigetragen», sagt Erich Sterchi. Bis vor Kurzem war er während elf Jahren Jugendarbeiter in der Region Haslital-Brienz (BE) und hat unter anderem dazu beigetragen, dass der Skatepark Haslital realisiert wurde. «Der Input dazu kam von den Jugendlichen», sagt Sterchi. Auf Anfang Mai 2017 übernimmt er neu die Stelle als Leiter Standortmarketing und Regionalentwicklung der Region.

«Ich erarbeite aktuell mit der lokalen Standortförderung das Projekt ‚Jugendpolitik im Knonauer Amt – Euses Säuliamt‘», sagt Matias Dabbene, regionaler Jugendbeauftragter des Bezirks Affoltern (ZH). Das Projekt zielt darauf ab, die Jugend stärker in die Weiterentwicklung der Region zu involvieren.

«Jugendarbeiter bringen wertvolle Kompetenzen für die Regionalentwicklung»

Was genau Jugendarbeit alles umfasst, wird in der Schweiz teilweise unterschiedlich gehandhabt (siehe Kasten). Die Fach-, Methoden- und persönlichen Kompetenzen der im Bereich Jugendarbeit tätigen Personen sind aber dieselben. «Sie können viele Kompetenzen mitbringen, die auch für die Regionalentwicklung wertvoll sind», sagt Prof. Colette Peter, Leiterin des Instituts für soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern. Eine dieser Kompetenzen sei bspw. die Vernetzung mit der Bevölkerungsgruppe der Kinder und Jugendlichen.
«Ein weiterer Mehrwert ist das methodische Repertoire zur Einbindung dieser Gruppe in partizipative Prozesse», ergänzt Danièle Warynski, Präsidentin der «Plateforme Romande de l’Animation Socioculturelle». Die «Animateurs socioculturels», wie Jugendarbeiter und Arbeiter mit anderen Zielgruppen in der Romandie nach Abschluss eines entsprechenden Diploms an der Hochschule genannt werden (siehe ebenfalls Kasten), würden diese Zielgruppen sehr gut verstehen und könnten deren Bedürfnisse deshalb auch auf regionalpolitischer Ebene einbringen. «Dadurch können sie wichtige Sensibilisierungsarbeit leisten», sagt Warynski.
Und die Kompetenzen von Jugendarbeiterinnen und -arbeitern sowie der Jugendbeauftragten entwickeln sich weiter: Im Mai 2016 lancierte der Dachverband offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz (DOJ) das «Quali-Tool», um das wirkungsorientierte Arbeiten in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit zu unterstützen. Dabei handelt es sich um ein interaktives Online-Tool, mit dem Jugendarbeiterinnen und -arbeiter Wirkungsmodelle für ihre geplanten Projekte erstellen können. «Das Tool wird zwar noch nicht flächendeckend genutzt, aber die Nachfrage wird immer grösser», sagt Marcus Casutt, Geschäftsleiter des DOJ. Das Hilfsmittel ist frei zugänglich und auch Personen ausserhalb der Jugendarbeit können es nutzen.

«Regionalentwickler können Jugendarbeiter anzapfen und umgekehrt»

Für Marcus Casutt ist die Antwort auf die Frage, ob Personen im Bereich der Jugendarbeit auch Regionalentwickler sind, klar: «Meiner Meinung nach sind sie es.» Es ist deshalb wichtig, dass diese Personen auch in Regionalentwicklungsprozesse auf Kantons-, Regions- oder Gemeindeebene eingebunden werden, wie es die beiden eingangs erwähnten Beispiele zeigen. Ob dies in der Schweiz aber bereits Usus ist, lasse sich schwer sagen und sei bestimmt auch sehr unterschiedlich. «Eine vermehrte Zusammenarbeit ist aber sicher wünschenswert», sagt Casutt.
«Dafür muss vermehrt ein Bewusstsein geschaffen werden, dass bereits in der Regionalentwicklung tätige Personen Jugendarbeiter resp. Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren anzapfen können und umgekehrt», sagt Prof. Colette Peter. Um dieses Bewusstsein zu fördern, trägt auch der interdisziplinäre Studiengang «MAS Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung» der Hochschule Luzern bei, den Colette Peter während 14 Jahren leitete, und in dem Personen aus den unterschiedlichsten Fachgebieten zusammenfinden. Auch an der Hochschule Genf wird dieses Jahr zum ersten Mal ein ähnlicher Studiengang angeboten: «Beim CAS ‚Projets urbains et pouvoir d’agir‘ werden ebenfalls Themen wie Partizipation und interdisziplinäre Zusammenarbeit behandelt», sagt Danièle Warynski.

Für die Zukunft der Regionen

Erich Sterchi von der Region Haslital-Brienz ist sich dessen bereits seit Längerem bewusst. Deshalb wechselt er nun seine Stelle vom «Jugendarbeiter» zum «Regionalentwickler». «Mir liegt die Region am Herzen und in meiner neuen Funktion werde ich von meinen Kompetenzen als Jugendarbeiter profitieren können», sagt er. Besonders gegen die Abwanderung der Jugend will er künftig mehr Akzente setzen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Matias Dabbene vom Bezirk Affoltern. «Bei einem Referat zur Regionalentwicklung wurde die Jugend als Nische präsentiert. Ich realisierte, dass dies eine Lücke ist, die geschlossen werden muss.» Seitdem versucht der Jugendbeauftragte, das Verständnis für die Jugendarbeit auch auf politischer Ebene zu fördern. «Es ist eben nicht nur ein Jugendhaus in einer Gemeinde. Die Jugendarbeit kann einer ganzen Region einen Mehrwert bringen. Wenn die Region jugendfreundlich gestaltet ist, wird sie attraktiver und trägt dazu bei, dass junge Leute auch hier bleiben», sagt Dabbene. «Kinder und Jugendliche sind wichtige Akteure der Gesellschaft, die wir nicht vernachlässigen dürfen.»

Was ist «Jugendarbeit»?

Grundsätzlich wird zwischen «Offener» und «verbandlicher» Kinder- und Jugendarbeit unterschieden. Die Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit stehen allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einer Gemeinde/Region ohne Verpflichtung zur Mitgliedschaft offen. Es herrscht keine Pflicht zur regelmässigen Teilnahme seitens der Kinder und Jugendlichen, sie können die Angebote nutzen wann und wie sie wollen. Ein Beispiel wäre ein Jugendtreff. Die verbandliche Jugendarbeit umfasst Angebote wie die Pfadi und andere Vereine.

Des Weiteren wird Kinder- und Jugendarbeit in verschiedenen Gebieten der Schweiz teilweise unterschiedlich gehandhabt. So kann sich diese Arbeit konkret an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (i.d.R. bis ca. 25 Jahre) richten. Es gibt aber auch den Ansatz der «soziokulturellen Animation» (SKA), der sich dem Zusammenleben der Bevölkerung allgemein widmet: Personen, die in diesem Bereich arbeiten, arbeiten nicht nur mit Kindern und Jugendlichen, sondern auch mit weiteren Zielgruppen (verschiedene Altersgruppen, Personen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen usw.).

Und schliesslich gibt es noch Unterschiede bei den Berufsbezeichnungen: «Jugendarbeiterinnen und -arbeiter» arbeiten direkt mit den betroffenen Zielgruppen zusammen (z.B. Betreuung eines Jugendtreffs), «Jugendbeauftragte» sind auf Verwaltungsebene tätig und koordinieren die Arbeiten in einem bestimmten Gebiet.

Bild: Jugendarbeiter Erich Sterchi konnte mit dem Skatepark Haslital zur Entwicklung der Region beitragen (Bildquelle: Erich Sterchi).

Bildergalerie: Matias Dabbene auf Bild 1, Erich Sterchi bei der Eröffnung des Skateparks auf Bild 2 (Bildquellen: Matias Dabbene und Erich Sterchi).

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