regioS 23: Schub für nachhaltige Mobilitätslösungen
Ständig sind wir unterwegs, nicht nur zur Arbeit oder zur Ausbildung, weit häufiger und zunehmend in der Freizeit. Über die Verkehrspolitik investieren Bund und Kantone auch in den nächsten Jahren Milliarden in die Verkehrsinfrastruktur. Auf dem Weg zu einer mehr auf Nachhaltigkeit orientierten Mobilität, bedarf es nebst der Infrastruktur weiterer Services, die den Komfort der Reisenden generell – aber insbesondere auf der «letzten Meile» erhöht. regioS widmet sich in seiner 23. Ausgabe dem Thema «Nachhaltige Mobilität in den Regionen», zeigt Lösungen auf und präsentiert eine Übersicht zu möglichen Förderinstrumenten für die Realisierung innovativer Ansätze.
Mobilität ist ein bestimmender Teil unseres Alltags. Wie der neuste «Mikrozensus Mobilität und Verkehr»1 zeigt, sind Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz täglich durchschnittlich 80 Minuten unterwegs und legen dabei 30 km zurück, grösstenteils mit dem Auto (fast 21 km), rund 6 km mit dem Öffentlichen Verkehr und 2,5 km mit dem Velo oder zu Fuss. Bedeutend ist der Verkehrsbereich auch für die Wirtschaft, wo die Erreichbarkeit einen der zentralen Standortfaktoren darstellt. Mit einem sehr dichten Strassen- und Bahnnetz sowie entsprechend ausgebauten Angeboten – wie dem Stundentakt oder Halbtax und GA im öffentlichen Verkehr – verfügt die Schweiz über herausragende Voraussetzungen für eine nachhaltige Verkehrszukunft. Landesweit finden sich kaum Orte, die nicht auch durch den öffentlichen Verkehr (ÖV) erschlossen sind und selbst nach Juf GR, der höchstgelegenen Siedlung Europas mit rund dreissig Einwohnerinnen und Einwohnern, fährt täglich das Postauto mindestens im Zweistundentakt. Und die Schweiz investiert weiter in ihre Verkehrsinfrastruktur: Bereits 2019 hatte das Parlament 19.3 Milliarden Franken für die beiden Ausbauschritte der Bahninfrastruktur bis 2025 beziehungsweise 2035 bewilligt. Im Februar dieses Jahres verabschiedete der Bundesrat die Botschaft für die Weiterentwicklung des Nationalstrassennetzes mit einem Finanzierungsvolumen von 11,6 Milliarden Franken bis 2030. Eine massive Unterstützung erhält auch der Agglomerationsverkehr, in den seit 2008 7,18 Milliarden Franken investiert wurden. Für die Realisierung der vierten Genration der Agglomerationsprogramme sind ab 2024 weitere 1,6 Milliarden Franken vorgesehen. Diese Investitionen tragen wesentlich zur Erschliessung der Regionen bei. Sie unterstützen aber auch die Akteurinnen und Akteure dabei, den Prozess hin zu einer nachhaltigen Mobilität zu beschleunigen und die dazu erforderlichen innovativen Lösungen zu entwickeln.
Öffentlicher Verkehr – wichtiges Element nachhaltiger Lösungen
Gut ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs in der Schweiz entfällt auf den Verkehrssektor. Um die Klima- und Energieziele der Schweiz zu erfüllen ist öffentlicher Verkehr ein Teil der Lösung. Er deckt im Personenverkehr ca. 24 Prozent des Gesamtverkehrsaufkommens ab beziehungsweise 37 Prozent im Gütertransport. Dennoch ist er lediglich für rund 5,5 Prozent des Energieverbrauchs im Verkehrsbereich verantwortlich und zudem sehr emissionsarm. Die Branche hat allerdings grosse Ambitionen, wie der Präsident des Verbandes öffentlicher Verkehr (VöV), Renato Fasciati, an der Medienkonferenz vom 1. Mai in Bern ausführte: «Wir streben eine Steigerung der Energieeffizienz um 30 Prozent an».
Services im Freizeitverkehr
Der Pendlerverkehr hin zur Arbeit und Ausbildung stand bis heute im Zentrum der verkehrspolitischen Diskussionen. Wichtigster Verkehrszweck ist mit 44 Prozent aller zurückgelegten Tagesdistanzen allerdings der Freizeitverkehr, der angesichts einer zunehmenden älteren Bevölkerung mit grösserer Freizeitverfügbarkeit noch steigen wird. Für die wirtschaftliche Entwicklung vieler ländlicher Regionen und Berggebiete spielt der Freizeitverkehr eine zentrale Rolle. Gerade in der Freizeit wird aber überdurchschnittlich oft das Auto genutzt. Sollen im Hinblick auf mehr Nachhaltigkeit der öffentliche Verkehr und der Fuss- und Veloverkehr mehr Gewicht erhalten, sind «Komfort» und «Service» Schlüsselaspekte, betont Vincent Kaufmann, Professor für Mobilitätsanalyse an der EPFL in Lausanne und wissenschaftlicher Direktor des «Forum Vies Mobiles» in Paris. Er weist im regioS-Round-Table-Gespräch etwa auf die Bedeutung des Gepäcktransports und das Platzangebot für betagte Reisende hin. In diesem Bereich hätten die SBB bereits einiges in die Wege geleitet. Handlungsbedarf sieht er aber etwa bei den Dienstleistungen in den Ferien- und Freizeitdestinationen. Die Leute würden nur auf ÖV umsteigen, wenn sie die Gewissheit hätten, während der ganzen Reise mit all ihren persönlichen Bedürfnissen und Komfortansprüchen gut versorgt zu sein. Dies bedeutet etwa im Obergoms einen Wachsservice an der Loipe zu haben oder einen gut ausgebauten Velo- und Veloverleihservice bei der Bahnstation.
Unterstützung auf der «letzten Meile»
Schlussendlich sind Angebote entscheidend, die den Reisenden helfen, mit allem Gepäck die letzte Meile zur Ferienunterkunft zu erreichen. Émelie Moreau, Verantwortliche für Angebotsentwicklung bei Jura Tourisme, ortet diesbezüglich im Jura eine grosse Herausforderung. Es gibt eine grosse Zahl von Unterkünften, die mit dem ÖV schlecht oder gar nicht erreichbar sind und wo es für die Gäste klar ist, dass sie besser mit dem Auto anreisen. Ideen, wie diese Lücke geschlossen werden könnte, sind zwar vorhanden, aber noch nicht realisiert. Einen Schritt weiter auf dem bereits eingeschlagenen Nachhaltigkeitskurs ist die die Ferienregion Engadin Samnaun Val Mustair, in der die nachhaltige Mobilität einen wichtigen Attraktivitätsfaktor und ein touristisches Markenzeichen darstellt. Die «Gästekarte ÖV-inklusive» ermöglicht nicht nur freie Fahrt mit dem öffentlichen Verkehr innerhalb der Region, sondern auch den Gratis-Gepäcktransport zwischen Bahnhof und Unterkunft. Dies ist nur eines von verschiedenen Projekten, die die Region mit Unterstützung der Neuen Regionalpolitik, von Interreg oder Innotour in den letzten Jahren realisiert hat. Welche Möglichkeiten sich mit diesen Förderinstrumenten zur Förderung innovativer Mobilitätslösungen eröffnen, zeigt die 23. Ausgabe von regioS unter anderem mit einer Übersicht der entsprechenden Instrumente.
Quelle: BFS/ARE (2023): Mobilitätsverhalten der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2021
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