Urbane Räume sind aufgrund ihrer Standortvorteile wettbewerbsfähiger
- Für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung einer Region ist es zentral, attraktive Rahmenbedingungen zu bieten – dies sowohl in Bezug auf die Attraktivität als Wohn- als auch als Unternehmensstandort.
- Die periurbanen Räume konnten sich in den vergangenen Jahren als attraktive Wohnstandorte positionieren. Dies weil sie einerseits gut erschlossen sind und dadurch eine bessere Versorgung mit Dienstleistungen aufweisen als ländliche Räume. Andererseits sind die Lebenshaltungskosten in den periurbanen Gebieten deutlich tiefer als in den Städten.
- Für die Standortwahl von Unternehmen sind die urbanen Gebiete – vor allem die Städte und Grossstädte – mit Abstand am attraktivsten. Diese Räume sind am besten erschlossen, was u.a. Zugang zu einem grossen Arbeitskräftepotenzial bietet. Gleichzeitig bieten die Städte weitere wichtige Standortfaktoren wie die Nähe zu Hochschulen oder zum Geschäftsumfeld. In diesem Zusammenhang sind ländliche Gebiete für Unternehmen deutlich weniger attraktiv.
Standortattraktivität entscheidend für die Regionalentwicklung
Gute Rahmenbedingungen sind eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Wachstum. Für Länder und ihre Regionen ist es daher zentral, ihren Einwohnern und Unternehmen ein attraktives Umfeld zu bieten und in diesem Zusammenhang eine hohe Standortattraktivität aufzuweisen.
Zur Beurteilung der Standortattraktivität werden in der Regel sogenannte «Standortfaktoren» beigezogen. Hinsichtlich der Attraktivität einer Region als Wohnstandort sind beispielweise Faktoren wie die Erreichbarkeit von Dienstleistungen, die Wohnkosten, die Steuerbelastung, die Sicherheit oder die Nähe zu Erholungsräumen von grosser Bedeutung. Für die Attraktivität einer Region als Unternehmensstandort spielen Faktoren wie das Geschäftsumfeld, gesetzliche Regulierungen, die Steuerbelastung sowie das Angebot an Arbeits- bzw. Fachkräften eine wichtige Rolle. Dabei hängen gewisse Faktoren, wie z.B. das Fachkräfteangebot, wiederum von der Attraktivität einer Region als Wohnstandort ab.
Periurbane Gemeinden beliebt als Wohnort
Die Analyse zur Entwicklung der Wohnbevölkerung hat gezeigt, dass die Wohnbevölkerung in den vergangenen Jahren vor allem in den urbanen und periurbanen Räumen zugenommen hat. Es scheint also, als wären diese Raumtypen als Wohnstandort attraktiver als die ländlichen Gebiete. Ein Grund dafür könnte u.a. in der Versorgung mit Dienstleistungen liegen. Eine Auswertung des Bundesamtes für Statistik zeigt, dass diese in den ländlichen Räumen weniger gut ist als in den intermediären und städtischen Gebieten.
Neben der Versorgung mit Dienstleistungsangeboten sprechen auch steuerliche Überlegungen dafür, sich in urbanen Gebieten niederzulassen. Die Steuerbelastung des Bruttoeinkommens für natürliche Personen liegt in diesen Räumen typischerweise etwas tiefer als in ländlichen Gebieten, wobei die Differenzen je nach betrachtetem Haushaltstyp unterschiedlich stark ausfallen.
Ein etwas differenzierterer Blick auf die Gemeinden zeigt, dass Unterschiede in der Steuerbelastung in erster Linie durch die kantonal unterschiedlichen Steuertarife zustande kommen. Die oben gezeigte höhere Belastung in ländlichen Gemeinden dürfte deshalb stark dadurch getrieben sein, dass einige Kanton mit vielen ländlichen Gemeinden hohe Steuersätze aufweisen.
Obwohl diese Aussage grundsätzlich korrekt ist, ist bei der Interpretation der gezeigten Daten zur Steuerbelastung Vorsicht geboten. Je nach Haushaltstyp (Anzahl Kinder, Einkommenshöhe etc.) kann das Bild anders ausfallen. Eine Vielzahl möglicher Kombinationen kann mit Hilfe des ESTV-Steuerrechners verglichen werden.
Eine reine Betrachtung der Steuerbelastung greift aber insbesondere bei den natürlichen Personen zu kurz. Anstelle der Frage, wie hoch die Steuern sind, zählt vielmehr die Frage, wie viel Geld einem Haushalt nach Abzug aller obligatorischen Ausgaben und Fixkosten übrigbleibt. Neben den Steuern sind dies beispielsweise Ausgaben für Krankenkasse, Wohnen, Mobilität oder Kinderbetreuung. Auch diese Kosten können regional stark unterschiedlich ausfallen. Eine Studie der Credit Suisse hat auf Basis all dieser Faktoren den sogenannten «RDI-Indikator» (Regional Disposable Income) berechnet. Der RDI-Indikator berücksichtigt eine Vielzahl an möglichen Haushaltstypen und zeigt auf, wo es sich am günstigsten lebt in der Schweiz. Dabei fällt auf, dass die besser abschneidenden Kantone in der Regel eher ländlich geprägt sind. Auf der anderen Seite kommen die urbanen Kantone – auch solche mit vergleichsweise tiefer Steuerbelastung – eher schlecht weg.
In einer differenzierteren Betrachtung nach Gemeinden akzentuieren sich die Stadt-Land Unterschiede noch mehr. Die Auswertung der Credit Suisse zeigt für ausgewählte Haushaltskonstellationen, dass insbesondere in den Grossstädten die Fixkosten wie z.B. die Miete stark ins Gewicht fallen, so dass das frei verfügbare Einkommen in den Zentren und urbanen Räumen i.d.R. tiefer liegt als auf dem Land oder in den periurbanen Räumen. Eine Ausnahme bilden dabei ländliche Tourismuszentren wie Zermatt oder Davos, wo insbesondere die Wohnkosten ebenfalls sehr hoch sind.
Die tieferen Lebenshaltungskosten dürften mit ein Grund dafür sein, dass die Bevölkerung vor allem in den periurbanen Gemeinden stark zulegen konnte. Viele Einwohner dieser Gemeinden sind damit wohl einen Kompromiss zwischen der tiefen Versorgungsdichte mit Dienstleistungen in ländlichen Gebieten und den hohen Lebenshaltungskosten in den Zentren eingegangen. Ein weiterer wichtiger Faktor, der in den obigen Überlegungen nicht berücksichtig ist, dürften die Reisezeitkosten darstellen, d.h. der Wert bzw. die Opportunitätskosten der Zeit. Viele Erwerbstätige sind wohl nicht bereit, lange und zeitintensive Arbeitswege auf sich zu nehmen und präferieren deshalb eher eine Wohnlage in oder nahe am urbanen Raum, wo die meisten Arbeitsplätze verortet sind.
Natürlich gibt es neben den erwähnten Standortfaktoren zahlreiche weitere Faktoren, die die Wahl des Wohnstandorts beeinflussen. Dies können z.B. die Luft- und Lärmbelastung oder individuelle Präferenzen wie die Nähe zu Erholungsräumen oder zum sozialen Umfeld sein.
Unternehmen lassen sich bevorzugt in Städten nieder
Wichtig für die Entwicklung einer Region ist neben der Attraktivität als Wohnort auch die Attraktivität als Unternehmensstandort. Die Analyse zur Beschäftigungsentwicklung zeigte, dass rund dreiviertel der Beschäftigten in den Grossstädten und Städten arbeiten. Zudem konnten dieselben Räume über die letzten Jahre das grösste Beschäftigungswachstum verzeichnen.
Die Steuerbelastung dürfte für die Standortwahl von Unternehmen noch wichtiger sein als für Privatpersonen. Eine Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung hat untersucht, wie hoch die Unternehmenssteuern (Gewinn und Kapitalsteuern aller Staatsebenen) in den Schweizer Gemeinden ausfällt. Der Unterschied zwischen urban und ländlich geprägten Gemeinden scheint dabei nicht stark ausgeprägt. Dies vor allem, weil die Steuerbelastung stark durch die kantonale Politik geprägt ist. In einigen Kantonen sind die Unternehmenssteuern gar kantonal einheitlich festgelegt, wodurch die Gemeinden keinen Handlungsspielraum bei der Festsetzung der Steuerbelastung juristischer Personen haben. Entsprechend gibt es ländliche Kantone mit einer vergleichsweise hohen Steuerbelastung (z.B. Jura) ebenso wie ländliche Kantone mit sehr tiefen Unternehmenssteuern (z.B. Appenzell Innerrhoden). Generell sind die Steuersätze in den vergangenen Jahren in der Tendenz überall gesunken. Dies insbesondere im Zusammenhang mit der Umsetzung der «Steuerreform und AHV-Finanzierung» (STAF).
Betrachtet man die Unternehmenssteuersätze nach Raumtyp, so bestätigt sich die obenstehende Vermutung: Die Unterschiede zwischen Stadt und Land sind relativ gering. Es fällt allerdings auf, dass der durchschnittliche Steuersatz in den Grossstädten etwas höher ausfällt als in den übrigen Raumtypen. Gleichzeitig fallen fast 50% der Reingewinne vor Steuern in diesem Raumtyp an. Danach folgen die Städte mit einem Anteil von 35%. Auf die ländlichen Räume entfallen lediglich 8% der Reingewinne vor Steuern.
Neben der Steuerbelastung ist auch die Verfügbarkeit von Arbeits- respektive Fachkräften für die Standortwahl eines Unternehmens zentral. Hier haben die urbanen Gebiete klare Vorteile. Dies aus mehreren Gründen: Einerseits liegt der Anteil der Personen mit einem tertiären Bildungsabschluss in den urbanen Gebieten deutlich höher (vgl. Analyse der Erwerbstätigkeit in der Schweiz). Andererseits sind die Grossstädte und Städte deutlich besser erschlossen als ländliche Regionen. Dadurch kann an urbanen Standorten auf ein grösseres Arbeitsangebot innerhalb einer gegebenen Reisezeit zurückgegriffen werden. Natürlich hängt insbesondere die Verfügbarkeit an Arbeitskräften einer Region wiederum eng zusammen mit der Attraktivität derselben Region als Wohnstandort.
Neben der Erreichbarkeit sowie der Steuerbelastung dürfte es eine Vielzahl an weiteren Standortfaktoren geben, die die Standortwahl eines Unternehmens beeinflussen, wie beispielsweise die Nähe zu Hochschulen oder zu bestimmten Branchenclustern. Die untenstehende Grafik verdeutlicht dies und zeigt, dass die Steuerbelastung insbesondere bei Neugründungen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. Eine grosse Mehrheit der neuen Unternehmen wird nämlich in den Grossstädten und Städten gegründet, auch in solchen, in denen die Steuerlast überdurchschnittlich hoch ist. Bei der Standortwahl bereits am Markt etablierter Unternehmen dürfte die Steuerlast hingegen ein bedeutenderer Faktor sein.
Letzten Endes ist die Steuerbelastung aber nur einer von vielen relevanten Standortfaktoren. Insbesondere die Erreichbarkeit scheint auch für Neugründungen ein relevanter Faktor zu sein. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass gut erreichbare Gemeinden häufig auch andere Standortfaktoren wie z.B. die Präsenz von (Fach-)Hochschulen mit sich bringen, welche wiederum der eigentliche Auslöser für die Standortwahl eines Unternehmens sein können.
Anhand des von der UBS berechneten «kantonalen Wettbewerbsindikators», der auf einem umfangreichen Indikatorenset beruht, lassen sich Rückschlüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit und somit auch auf die Standortattraktivität verschiedener Regionen in der Schweiz ableiten. Der UBS-Indikator zeigt, dass das Flachland und somit tendenziell auch die urbanen Gebiete kompetitiver dastehen als die Berggebiete. Die UBS stellt zudem fest, dass in Kantonen mit vergleichsweise tiefem Wachstumspotenzial (z.B. Jura oder das Wallis) die regionalen Zentren wettbewerbsfähiger sind als die übrigen Regionen. Zu ähnlichen Resultaten kommt auch die Credit Suisse, welche regelmässig einen «Standortqualitätsindikator» berechnet. Die Resultate der Credit Suisse zeigen, dass wirtschaftliche Ballungszentren wie Zürich, Zug oder Genf zu den attraktivsten Regionen für Unternehmen zählen. Auch hier zeigt sich, dass der Alpen- und Jurabogen deutlich weniger attraktiv sind – vor allem aufgrund der eher schlechten Erreichbarkeit.