Reduce, Reuse, Circulate… die Kreislaufwirtschaft ist eine regionalpolitische Chance
Hinter regiosuisse stehen Menschen, die Themen recherchieren, aufbereiten und gestalten. In diesem «News aus dem Team» geben David Kramer und Dario Giacometti einen Einblick in ein Thema, das ihnen heute sehr am Herzen liegt und gleichzeitig einen Schwerpunkt der Neuen Regionalpolitik (NRP) bildet.
Am Gespräch nehmen teil:
- David Kramer, SECO, Co-Leiter Regionalpolitik
- Dario Giacometti, SECO, Programmleiter Regionalentwicklung, Ansprechperson Nachhaltige Entwicklung in der NRP
Was ist Ihr persönlicher Bezug zu den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft?
David Kramer: Als Kind musste ich Kleider, Velo, Skis etc. meiner grossen Schwester und von Kindern befreundeter Familien nachtragen und weiterverwenden: ich habe es gehasst. Statt mit den hippen Farben der 80er Jahre lief ich rum wie Bein-Godik aus der 1981er TV-Serie «Silas» (inklusive Frisur). Flohmärkte und Secondhand-Läden entdeckte ich erst viel später, und heute weiss ich, dass «Wiederverwenden» ein wichtiges Element der Kreislaufwirtschaft ist. Faszinierend finde ich, dass die Umwelt- und Wirtschaftsmenschen bei Bund und Kantonen sowie die Unternehmer*innen in den KMU bei diesem Thema je länger, je mehr aus ihren Silos rauskommen, gemeinsame Ziele verfolgen und miteinander am selben Strick und in dieselbe Richtung ziehen.
Dario Giacometti: Mein Erstkontakt war im Lebensmittelladen mit Fragen, die sich wohl für viele Personen stellen: Ist jetzt noch Erdbeer-Saison? Wie sieht es mit der Tierhaltung aus? Kann ich das auch direkt ab Hof kaufen? Verfolgt man diese Gedanken konsequent weiter, landet man beim Thema einer nachhaltigen Wertschöpfungskette. Somit regen die Stichworte Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft meines Erachtens Produzenten wie Konsumenten primär zur Reflexion an.
Wo steht die Schweiz bezüglich Umsetzung der Kreislaufwirtschaft?
Dario Giacometti: Viele Elemente und Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, wie der effiziente Umgang mit Ressourcen, die Verwertung von Nebenströmen oder auch das Recycling, sind nicht neu und werden bereits seit Langem von Unternehmen praktiziert. Aber es gibt noch viel Luft nach oben. In Zahlen ausgedrückt: 2021 hatten 12% der Unternehmen zirkuläre Geschäftsaktivitäten substanziell im Geschäftsmodell integriert und ebenso hoch war der Anteil der Unternehmen, die mehr als 10% ihres Umsatzes mit zirkulären Produkten/ Dienstleistungen erwirtschafteten (Statusbericht Schweizer Kreislaufwirtschaft | BFH Wirtschaft). Aktuelle Daten werden die Expertinnen und Experten der Berner Fachhochschule mit der Publikation des neuen Statusberichts zur Kreislaufwirtschaft in der Schweiz im September am Sustainable Switzerland Forum präsentieren.
Welche Rolle spielt die Kreislaufwirtschaft in der aktuellen Förderpolitik der NRP?
David Kramer: Die NRP sieht in der Kreislaufwirtschaft einen zentralen Hebel für nachhaltige Wertschöpfung in ländlichen Räumen, Berggebieten und Grenzregionen. Als wirtschaftspolitisches Instrument will die NRP die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit der genannten Regionen stärken. Ansätze aus der Kreislaufwirtschaft schaffen eine Win-Win-Situation, indem wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Ziele gemeinsam erreicht werden können.
Welche konkreten Projekte oder Initiativen wurden bisher im Rahmen der NRP im Bereich Kreislaufwirtschaft gefördert?
Dario Giacometti: Im Rahmen der NRP wurden bereits einige Regionen, darunter das Berner Oberland und Toggenburg, aktiv und haben Programme zur Förderung der Kreislaufwirtschaft lanciert. Auch Unternehmen vom Genfersee bis zum Säntis entwickeln ausgezeichnete Projekte, die mit NRP-Mittel gefördert werden. Konkrete Beispiele dafür finden sich im neuen regioS!
Inwiefern spielen gerade in dieser Thematik Austausch und Netzwerkpflege eine wichtige Rolle? Und wie kann die NRP in diesem Bereich unterstützen?
Dario Giacometti: Der Austausch von Wissen und Erfahrungen sowie die gezielte Vernetzung zwischen Akteuren sind zentrale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsprojekten. Die NRP unterstützt diesen Prozess durch Veranstaltungen zu Vernetzung und Wissenstransfer, die digitale Praxis-Toolbox KLW und die Förderung regionaler Innovationssysteme (RIS), die Kooperationen erleichtern und Kompetenzen vermitteln. Gerade wenn es darum geht, Wertschöpfungsketten zu verlängern oder zu schliessen, braucht es passende Partner. Plattformen wie jene von INOS bieten dafür eine wertvolle Grundlage, auf der interessierte KMU zusammenfinden und gemeinsam Lösungen entwickeln können.
Welche politischen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen wären hilfreich für die weitere Förderung?
David Kramer: Unternehmen orientieren sich primär an den Kundenbedürfnissen, die Nachfrage ist also der beste Treiber. Damit Kundinnen und Kunden sich ein besseres Bild eines Produktes oder einer Dienstleitung machen können, benötigt es jedoch vergleich- und messbare Indikatoren für KLW-Aktivitäten. Darüber hinaus sehen wir, dass Erfahrungsaustausche wertvolle Einblicke und Gelegenheit zur Vernetzung bieten. In diesem Bereich läuft sowohl im Rahmen der NRP, bei den Kantonen wie auch durch private Initiativen bereits viel.
Was müsste Ihrer Meinung nach heute geschehen, damit die Kreislaufwirtschaft in zehn Jahren eine Selbstverständlichkeit in der Regionalentwicklung ist?
David Kramer und Dario Giacometti: Gemeinsam mit dem BAFU haben wir eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Erfolgsfaktoren für die Implementierung von KLW-Aktivitäten in KMU untersucht. Dabei wurden 11 Erfolgsfaktoren identifiziert. Interessant ist, dass viele davon direkt auf die Kundenbedürfnisse abzielen, was den starken Kundenfokus der Unternehmen widerspiegelt. Auch hier sind viele Informationen also bereits vorhanden, das Interesse von Konsumentinnen und Konsumenten sowie auch KMU am Thema nimmt stetig zu. Es braucht also nebst regionalen Vorzeigeprojekten noch Zeit und eine Verteilung raus aus der «Öko-Nische» und in die Breite. Mit der NRP steht den KMU und anderen Akteuren ein Instrument zur Verfügung, mit dem sie ihre Ideen in konkrete Projekte übersetzen können. Wie man in der NRP ein Projekt eingibt, kann man auf regiosuisse.ch, der Plattform für Regionalentwicklung in der Schweiz, sehr einfach rausfinden.