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Das Wichtigste in Kürze
  • Die NRP ist eine chancenorientierte Förderpolitik. Sie möchte bewusst Innovationen fördern und dies in einem strukturschwachen, periphereren Raum. Eine derartige Politik bringt auch Risiken mit sich. Die Auseinandersetzung mit diesen ist wichtig. Dadurch können Erkenntnisse gewonnen werden, die wiederum in die Planung und Implementierung von zukünftigen Projekten einfliessen können.
  • Risiken können bereits zu Projektbeginn auftreten oder sich während der Projektlaufzeit entwickeln. Um die Risiken bestmöglich zu bewältigen, sind ein internes und externes Risikomanagement sowie ein regelmässiger Austausch zwischen dem Projektträger und der NRP-Fachstelle zentral. 
  • Viele NRP-Projekte finden in einem dynamischen Umfeld statt. Somit kommt es häufig vor, dass externe Faktoren das Projektumfeld verändern und Anpassungen notwendig sind. Risikobehaftete Projekte sind nicht zwingend «schlechte» Projekte. Meistens sind auch diese Projekte sehr relevant und daher förderwürdig. Entscheidend ist, wie mit den Risiken umgegangen wird. 

Welche Risiken treten auf? 

Erkenntnisse für zukünftige Projekte

Die Auseinandersetzung mit Risiken in der Projektarbeit ist wichtig. Dadurch können Erkenntnisse gewonnen werden, die wiederum in die Planung und Implementierung von zukünftigen Projekten einfliessen können. Herausforderungen, Risiken und Erfolgsfaktoren können bei der Projektarbeit je nach Projektart, Phase oder Kontext variieren. Regiosuisse widmete dem Thema Risiken in den drei Wirkungsmessungen «Weiterentwicklung / Markteinführung Berglodges Gadmen», «Online-Buchungs-Offensive (OBO) Uri» und «FAGUS» im Jahr 2019 ein besonderes Augenmerk. Die folgenden Ausführungen basieren hauptsächlichen auf diesen Projekten, aber auch auf Erkenntnissen der übrigen Wirkungsmessungen.  


Projektrisiken bei Projektbeginn

Anhand der untersuchten Projekte konnten folgende Risiken zu Projektbeginn identifiziert werden: 

Veränderung  der Ausgangslage

In der Zeitspanne zwischen dem Einreichen des Projektantrags und dem Projektstart können sich die Ausgangslage und die umgebenden Faktoren verändern. Dies zeigte sich zum Beispiel beim Projekt Online-Buchungs-Offensive Uri.  Angesichts der rasanten Entwicklung im Bereich der Digitalisierung hatte sich dort die Ausgangslage bis zu Projektbeginn bereits wieder verändert. 

Mobilisieren von Projektpartnern
Im gleichen Projekt wurden im Rahmen des Projektantrags Absichtserklärungen der touristischen Leistungsträger eingeholt, um eine kritische Masse der Zielgruppe zu mobilisieren. Effektiv am Projekt mitgemacht haben weniger Akteure, als ursprünglich Interesse bekundet haben. Das Mobilisieren von Projektpartnern braucht häufig viel Überzeugungsarbeit und nicht in allen Projekten gelang es, die angesprochenen Partner zu integrieren. 
Unsicherheiten bezüglich der Finanzierung
Insbesondere bei grossen, interkantonalen Projekten kann es lange dauern, bis sich die verschiedenen Beteiligten auf die Finanzierungsbeiträge geeinigt haben. Die Mobilisierung weiterer Partner trägt dabei zur Erhöhung der Projektglaubwürdigkeit bei. Im Projekt FAGUS hat dieser Prozess zwei Jahre gedauert. Auch bei zahlreichen anderen Projekten war das Mobilisieren von Fremd- und Eigenkapital eine zentrale Herausforderung und bestand das Risiko, dass das Projekt nicht zustande kommt. Der NRP-Finanzierungsentscheid der öffentlichen Hand kann hier als «Gütesiegel» dienen, um potenzielle Geldgeber vom Projekt zu überzeugen.


Projektrisiken während der Projektlaufzeit

Grundsätzlich besteht bei jedem Projekt das Risiko, dass es während der Projektlaufzeit zu Verzögerungen, zusätzlichen Kosten, veränderten Konstellationen in der Projektträgerschaft oder unvorhergesehenen Ereignissen kommen kann. Zudem können während der Projektlaufzeit Veränderungen im Projektumfeld zu neuen Projektrisiken führen. 

Raumplanungsrevision verhinderte neu Standorte für die Berglodges Gadmen
Quelle: Mark von Weissenfluh

Gesetzliche und politische Veränderungen
Verschiedene exogene Faktoren können sich im Projektverlauf als Risiko herausstellen. Zum Beispiel war das Projekt «Weiterentwicklung / Markteinführung Berglodges Gadmen» von einer Revision des Raumplanungsgesetzes betroffen, die weitere Standorte für die Berglodges verunmöglichte. Zusätzlich führte die Annahme der Zweitwohnungsinitiative zu weiteren Unsicherheiten. 
Personelle Veränderungen
Bei länger dauernden Projekten kommt es vermehrt zu personellen Wechseln auf Seiten der Projektträger, Projektpartner oder der kantonalen Behörden. Ein solcher Wechsel stellt immer ein Risiko für das Projekt dar, da mit der Person auch Wissen und persönliche Kontakte verloren gehen. Insbesondere bei kleinen Organisationen sind personelle Wechsel kritisch, da aus Ressourcengründen nur beschränkt Wissens-Redundanzen aufgebaut werden können. Bei peripheren Standorten besteht zusätzlich die Herausforderung, qualifiziertes Personal zu finden. 
Neuigkeitsgehalt und Erschliessung neuer Märkte
Bei der Lancierung von neuen, innovativen Projekten kann es auf zwei Ebenen zu Herausforderungen kommen. Einerseits braucht es bei potenziellen Projektpartnern mehr Überzeugungsarbeit, andererseits kann es lange dauern, bis die neue Idee oder das neue Produkt auf dem Markt und bei der Kundschaft etabliert ist. Eine zu geringe Nachfrage kann dazu führen, dass die Leistungen oder Produkte wieder eingestellt werden müssen oder das Geschäftsmodell überarbeitet werden muss. So war beim Projekt der Berglodges Gadmen die Idee des «Tiny house» in der Schweiz noch kaum präsent und es musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, da nicht auf bestehende Erfahrungen verwiesen werden konnte. Bei FAGUS bestand die Herausforderung darin, dass es sich um ein Nischenprodukt handelte, für das zuerst ein Markt geschaffen werden musste. Auch das Kompetenzzentrum Fischzucht Erstfeld musste sich den Markt für seine Fischerzeugnisse erst erschliessen. 
Nicht realisierbare Produkte oder Methoden
Insbesondere bei forschungsnahen Industrieprojekten besteht das Risiko, dass die angedachte Methode in der Umsetzung nicht funktioniert. So konnte beim Projekt FAGUS die ursprünglich konzipierte Holzverleimungsmethode nicht angewendet werden, wodurch sich das Projekt verzögerte.
Nicht oder nur schwer erreichbare Zielgruppen
Verschiedene Projekte haben gezeigt, dass die im Projektantrag beschriebenen Zielgruppen nicht immer erreicht werden können, sich dafür aber auch andere, nicht «beabsichtigte» Zielgruppen erschliessen. Das Projekt «Impulsprogramm Hotellerie» erreichte vor allem diejenigen Hotels, die für Veränderungen offen waren. Nicht erreicht wurden diejenigen, die das Angebot am notwendigsten und grösseren Veränderungsbedarf gehabt hätten. Wenn die beabsichtigten Zielgruppen nicht erreicht werden können, besteht das Risiko, dass das Projekt nicht seine volle Wirkung entfalten kann.
Fehlendes Aufgleisen der Phase nach der NRP-Förderung
Ein nicht zu unterschätzendes Risiko für das längerfristige Fortbestehen der Projektergebnisse besteht im Übergang von der NRP-Finanzierung zur Selbsttragbarkeit. Da die Projektträgerinnen und Projektträger stark mit der Erstellung der im Projekt vorgesehen Angebote beschäftigt sind, kommt häufig der Blick über die NRP-Periode hinaus zu kurz. Dabei besteht das Risiko, dass die Anschlussfinanzierung und Projektträgerschaft über die NRP-Phase hinaus nicht gesichert sind. 


Wie gehen die Projektträger mit den Risiken um?

Internes und externes Risikomanagement

Ein internes Risikomanagement mit Dokumenten, Prozessen und Sitzungen kann dazu beitragen, dass Risiken früh erkannt und angegangen werden. Ergänzend dazu kann eine Begleitung durch externe Dritte sinnvoll sein. So wurde in einem der untersuchten Projekte die Finanzplanung und Buchhaltung von einer externen Revisionsstelle geprüft und auf kritische Entwicklungen hingewiesen. Diese Stelle kann eine unabhängige Aussensicht einbringen. Das grosse Herzblut der Projektträger kann zum «Prinzip Hoffnung» verleiten und zu einer wenig kritischen internen Beurteilung des Projektfortschritts führen.

Risikomanagement durch den Kanton

Auch auf Seiten der Kantone erfolgt ein Risikomanagement. In einem Projekt wurden zum Beispiel Projektzahlungen mit der Erfüllung von vordefinierten Meilensteinen verknüpft. Falls ein Meilenstein aufgrund externer Faktoren nicht erreicht werden konnte, definierte der Kanton mit dem Projektträger neue Meilensteine oder Änderungen im Projektinhalt.  

Ein regelmässiger Austausch zwischen dem Projektträger und dem Kanton kann dazu beitragen, Projektrisiken zu minimieren. Insbesondere wenn Probleme erkannt werden, ist ein enger Austausch zwischen dem Kanton und dem Projektträger wichtig. So kann transparent über die Projektrisiken und den Projektfortschritt kommuniziert und können gemeinsam Verbesserungsmassnahmen eingeleitet werden.


Erkenntnisse & Learnings zum Umgang mit Risiken

Unternehmensorientierte Förderpolitik birgt Risiken

Die NRP ist eine chancenorientierte, innovationsfreundliche Förderpolitik. Eine derartige Politik bringt auch bei Projekten mit hoher Förderwürdigkeit Risiken mit sich. Zudem richtet sich die NRP an ein Zielgebiet mit relativen Standortnachteilen, z.B. weniger gute Erreichbarkeit oder weniger ausgeprägte Verfügbarkeit von qualifizierten Personen. Dies erhöht die Herausforderungen in der Projektumsetzung. Zudem kann die NRP in gewissen Bereichen auch eine Konkurrenz zur Privatwirtschaft darstellen, wodurch bei potenziellen Projektpartnern und regionalen Akteuren zusätzliche Überzeugungsarbeit geleistet werden muss und es auch zu Konflikten oder Misstrauen kommen kann. 

Hohe Komplexität von NRP-Projekten

Nicht zuletzt muss die NRP privatwirtschaftlichen und öffentlichen Logiken gerecht werden. Sie etabliert Projekte, die sich auf dem Markt etablieren und nach Projektabschluss selbstragend sein sollen. Gleichzeitig dominieren insbesondere in der Antragsphase öffentliche, administrative Prozesse, die nicht immer mit den Bedürfnissen der Projektträger nach schnellen Entscheiden und Finanzierungszusagen übereinstimmen.

Weiter müssen die NRP Projekte sich in einen vielfältigen Kontext einordnen und einer hohen Komplexität gerecht werden. Es besteht der Anspruch, dass sie innovativ und neu sind, dass es sich um ein unternehmensübergreifendes Projekt handelt (mit entsprechendem Koordinationsbedarf), dass sie abgestimmt sind mit weiteren Sektoralpolitiken oder zumindest nicht mit diesen in Widerspruch stehen, dass sie in regionale Entwicklungsstrategien eingebettet und breit abgestützt sind sowie dass sie zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.  

Anpassungen an ein dynamisches Umfeld 

Viele NRP-Projekte finden auch in einem dynamischen Umfeld statt. Somit kommt es häufig vor, dass externe Faktoren das Projektumfeld verändern und Neuausrichtungen oder Anpassungen sinnvoll und notwendig sind – vorausgesetzt, dass die grundsätzliche Projektidee immer noch aktuell ist. Es braucht dabei fundierte und überlegte Anpassungen und nicht nur «Absichten» in Form von angepassten Business Plänen.

Umfangreiche Vorabklärungen (Vorstudien, Machbarkeitsabklärungen, etc.) im Vorfeld sind notwendig und können die Projektrisiken reduzieren, sind aber noch keine Garantie für den Projekterfolg. Test- und Pilotphasen können eine hilfreiche Ergänzung sein. 

Die NRP-Projekte müssen somit oft in einem Lernprozess bedarfsorientierte Anpassungsmöglichkeiten prüfen und umsetzen. So ermöglichte beispielsweise die Anpassung der Produktionslinie bei FAGUS eine Diversifizierung des Geschäftsmodells. Die Produktion wurde flexibler gestaltet, damit sie mögliche Schwankungen auf dem Hauptmarkt abfedern konnte. Alle drei 2019 untersuchten Projekte haben während der Umsetzung Änderungen an ihren Angeboten vornehmen müssen, um sich den Gegebenheiten und Bedürfnissen der Zielgruppen anzupassen. 

Angedachte Holzverleimungsmethode hat bei FAGUS nicht auf Anhieb funktioniert.
Quelle: FAGUS Suisse SA

 

Risikobehaftete Projekte bedeuten nicht «schlechte» Projekte

Ein risikobehaftetes NRP-Projekt ist nicht zwingend ein «schlechtes» Projekt. Es kommt darauf an, wie mit den Risiken umgegangen wird und ob im Sinne des Risikomanagements wirkungsvolle Massnahmen getroffen wurden. Bei den untersuchten risikobehafteten Projekten wurde die Relevanz des Projekts als hoch eingestuft. Diese hohe Relevanz wurde von den Kantonen auch als Argument für die Projektförderung herangezogen, obwohl zum Teil bereits zu Projektbeginn Risiken ersichtlich waren. 

Projektabbruch als Option

Auch die Einstellung eines Projekts sollte als Option geprüft werden. Das Einstellen des Projekts der Berglodges in Gadmen hat gezeigt, dass es bei einem Projektabbruch nicht zu einem Scherbenhaufen kommen muss. Dazu waren eine gute Zusammenarbeit und der Einbezug der verschiedenen involvierten Akteure wie z.B. dem Kanton, der Gemeinde oder den Akteuren entlang der Wertschöpfungskette zentral. Auch eine transparente und regelmässige Kommunikation über die bestehenden Risiken und eine geordnete Projekteinstellung halfen. Die Reputation des Projekts und des Projektträgers können trotz der Risiken mit geeigneten Massnahmen erhalten werden. 

 

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