Mit digitaler Beteiligung zur guten Idee: Beispiele aus Schweizer Städten
Für die nachhaltige Entwicklung von Städten, Gemeinden und Regionen ist die Partizipation verschiedener Akteurs- und Anspruchsgruppen ein wichtiger Grundstein. Immer mehr setzen dabei auf den Einsatz von digitalen Formaten und Kanälen. Die Möglichkeiten sind vielfältig, wie verschiedene Beispiele aus Schweizer Städten zeigen.
Die Stadt Zürich testet derzeit im Rahmen des Strategie-Schwerpunkts «Smarte Partizipation erproben» in verschiedenen Pilotversuchen die Einsatzmöglichkeiten webbasierter Partizipationswerkzeuge. Ziel ist es Wissen zur digitalen Partizipation aufzubauen, deren Etablierung voranzutreiben und den verschiedenen städtischen Stellen Applikationen zur Verfügung zu stellen, insbesondere für informelle Mitwirkungsverfahren. Mögliche Einsatzbereiche: Einholen von Stimmungsbildern, Erweiterung von physisch stattfindenden Beteiligungsprozessen usw.
Pilotprojekte auf Quartierebene
Im Teilprojekt Quartieridee Wipkingen wurden die digitalen Möglichkeiten eines partizipativen Budgets auf Quartierebene getestet. Die Idee dahinter: Die Stadt und die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft stellten ein Budget (CHF 40'000) zur Verfügung, über dessen Verwendung die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers bestimmen können. Der Pilotversuch stiess auf grosses Interesse. Nach ausgedehnter Bekanntmachung des Projektes (sowohl online als offline, z.B. über Flyer und an Veranstaltungen vor Ort) wurden im Herbst 2020 innert fünf Wochen knapp 100 Projektideen auf der Onlineplattform quartieridee.ch eingereicht. Diese basiert auf einer Opensource-Lösung, wobei eine externe Firma die Stadt Zürich beim Aufsetzen der Plattform unterstützte. Coronabedingt wurden die weiteren Prozessschritte weitgehend in den digitalen Raum verlagert. Nach der Machbarkeitsprüfung und einer Konkretisierungsphase konnten Wipkingerinnen und Wipkinger während vier Wochen online über die Verteilung des Quartierbudgets abstimmen. An einer virtuellen Veranstaltung Anfang März 2021 wurden anschliessend die Siegerprojekte der Quartieridee bekanntgegeben und die Umsetzung lanciert.
Das Fazit der Verantwortlichen der Stadt zum Pilotversuch in Wipkingen ist positiv: sowohl hinsichtlich Prozess als auch bezüglich der Plattform. Im Juli 2021 wurde der Ansatz des partizipativen Budgets mit der gleichen Plattform auf die gesamte Stadt ausgedehnt (unter dem Namen Stadtidee).
Im Frühjahr 2021 kam die Plattform im Rahmen der «E-Partizipation Stolzehüsli» erneut zum Einsatz. Diesmal suchte das Hochbaudepartement der Stadt Zürich Ideen für die zukünftige Nutzung des Stolzehüslis, ein Gebäude in einer öffentlichen Parkanlage im Quartier Oberstrass:
Von Erfahrungen profitieren und klein starten
Aus Sicht von Maximilian Stern, Projektleiter bei der Stadtentwicklung Zürich lohnt es sich die verschiedenen Tools zur digitalen Partizipation gut anzuschauen und sich mit anderen Städten und Gemeinden auszutauschen, die bereits Erfahrungen gesammelt haben.
«Es hat sich bewährt, den Einsatz eines neuen Kanals und Formates zunächst kleinräumig auf Quartier-Ebene zu testen. Dank dieses Vorgehens und der Verwendung einer Open-Source-Plattform hielten sich die Kosten für die technische Lösung in Grenzen. Im Gegenzug konnten Mittel in die externe Begleitung (Prozessbegleitung und IT-Unterstützung) investiert werden, was für uns sehr wertvoll war».
Die Plattform wird derzeit weiterentwickelt und im Rahmen von Pilotprojekten weiter getestet. Damit soll eruiert werden, ob sie demnächst sämtlichen Dienstabteilungen der Stadt Zürich zur Verfügung gestellt werden soll. Die Stadt Zürich ist in regelmässigem Austausch mit Städten, die die gleiche Lösung nutzen. Ziel ist es voneinander zu lernen und Weiterentwicklungen der Online-Plattform auch anderen zugänglich zu machen.
Smart City Lab Lenzburg: Gemeinsam online Ideen entwickeln
Einen zweitätigen Online-Hackathon hat die Stadt Lenzburg im November 2020 mit verschiedenen Partnern im Rahmen des Smart City Labs auf die Beine gestellt. Am Format beteiligen sich Privatpersonen, «Hackathon-Profis» und Start-up-Unternehmerinnen und -Unternehmer. Gemeinsam entwickelten sie in Teams kreative Lösungen für eine nachhaltige und intelligente Stadt der Zukunft. Im Fokus standen vordefinierte Challenges (Problemstellungen). Ziel war unter anderem eine bessere Nutzung von Daten für Projekte und Dienstleistungen. Die Stadt stellte entsprechende Daten zur Verfügung. Auch hier wirkte Corona als Digitalisierungstreiber. Anstatt wie geplant physisch vor Ort fand der Hackathon wegen Covid-19 online statt.
Das Zwischenfazit von Daniel Mosimann, Stadtammann von Lenzburg ist positiv: «Zu verschiedenen Themen ‒ Belebung der Altstadt, Energieberatung, bessere Quartiervernetzung, Meldeplattform für Infrastrukturschäden usw. ‒ sind spannende Projektideen entstanden. Die Ideen werden nun von den Teams konkretisiert und im Herbst an der Fachtagung Citelligent 2021 auf dem Schloss Lenzburg präsentiert».
Besonders wertvoll war für Daniel Mosimann die Aussensicht der Beteiligten. Auch für die Positionierung und die Aussenwahrnehmung der Stadt, sei das Smart City Lab positiv. Bereits hätten sich spannende Möglichkeiten für neue Projekte ergeben. Unter anderem sei die Ausdehnung des Formats auf die Region zu einem Smart Regio Lab mit regionalen Challenges in Planung.
«Gemeinsam spannende Ideen zu entwickeln, hat im virtuellen Raum funktioniert. Ein «Wir-Gefühl» und eine Dynamik, wie sie von physischen Workshops her bekannt ist, ist jedoch nicht entstanden». Dass der Fokus bei der Ideenentwicklung stark auf digitalen Lösungen lag, kann laut Mosimann allenfalls auch dem virtuellen Format geschuldet sein.
Digitale Partizipation als der Weg für die Zukunft?
Wie bei analogen Partizipationsverfahren braucht es auch bei der digitalen Partizipation klare Ziele. Diese entscheiden ob und wie E-Partizipation einen Mehrwert zu analogen Formaten schaffen kann. Entsprechend ist auch das Vorgehen sorgfältig zu wählen. Dabei kann sich der Erfahrungsaustausch mit anderen Städten und Gemeinden lohnen.
In Zukunft wird die digitale Partizipation den direkten persönlichen Austausch kaum vollkommen ablösen. Vielmehr werden Kombinationen und hybride Formate in den Vordergrund rücken. Die Schnittstellen zur «realen Welt» sind wichtig und müssen gepflegt werden. Gerade wenn es darum geht, längerfristige Entwicklungsprozesse anzustossen und eine positive Dynamik unter den Menschen vor Ort auszulösen, sind persönliche Treffen an Stelle von oder als Ergänzung zu digitalen Partizipationsverfahren wertvoll.
Weitere Informationen sowie Tipps und Tricks zur Anwendung von E-Partizipation in der Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung finden Sie in unserem Themendossiers «E-Partizipation».