Seit rund 100 Tagen ist Valérie Donzel als neue Ressortleiterin Regional- und Raumordnungspolitik im Amt. Im Interview mit regiosuisse spricht die 39-Jährige über die ersten Eindrücke und betont wie sich die Neue Regionalpolitik (NRP) in den letzten vier Jahren aus ihrer Sicht verändert hat.
regiosuisse: Frau Donzel, Sie sind seit rund 100 Tagen in Ihrem neuen Amt tätig. Ihr Vorgänger Ruedi Schiess hat in einem vorhergehenden Interviewgesagt, er wolle Ihnen ungefragt keine Tipps geben. Hat er sein «Versprechen» gehalten?
Ja, ungefragt hat er mir tatsächlich keine Tipps gegeben. Allerdings stellte ich ihm gleich zu Beginn viele inhaltliche Fragen, zu denen er mir wertvolle Auskunft gab. Auch jetzt tausche ich mich sporadisch mit ihm aus. Mit dem Urteil über Menschen nimmt er sich – zumindest mir gegenüber – vollständig aus dem Spiel und lässt mich meine eigenen Erfahrungen sammeln, was ich gut finde.
Wie fällt Ihr Fazit nach den ersten 100 Tagen aus?
Insgesamt sehr erfreulich! Ich bin gut angekommen beim SECO und in meiner neuen Position – auch dank dem engagierten und eingespielten Team.
Auch inhaltlich bin ich wieder in die Welt der Regionalpolitik eingetaucht. Dabei haben mich vor allem die drei grossen Geschäfte beschäftigt, die nächstes Jahr in den Bundesrat und das Parlament gehen: Die Botschaft zum Mehrjahresprogram NRP 2016−2023 sowie die Berichte zur Politik für die ländlichen Räume und Berggebiete und zur Agglomerationspolitik des Bundes ab 2016. Auch wenn schon vieles vorgespurt ist, gibt es noch einiges zu tun. Deshalb war es für mich wichtig, schnell in die Thematik reinzukommen.
Vor Ihrer jetzigen Stelle waren Sie als diplomatische Mitarbeiterin der schweizerischen OECD-Delegation in Paris tätig, davor bereits beim SECO. Was war der Grund vom metropolitanen Paris wieder zurück in die (Klein-)Raumpolitik der Schweiz zurückzukehren?
Nach Paris gehen zu können, bedeutete für mich eine einmalige Möglichkeit, Einblick in die multilaterale Diplomatie zu erhalten. Die Detachierung war von Anfang an auf vier Jahre begrenzt. Als sich die Gelegenheit bot, als Ressortleiterin ins SECO zurückzukehren war dies wiederum eine grosse Chance für mich. Am meisten Freude bereiten mir nach wie vor die konkreten Projekte – denn dort wird die Regionalpolitik sicht- und fassbar.
Gibt es Parallelen zwischen Ihrem alten und neuen Job?
Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Partnern, sei es mit den Kantonen oder mit anderen bundesinternen Gremien, erinnert mich manchmal stark an die multilaterale Diplomatie. Dieser Aspekt meiner Arbeit ist anregend, nimmt aber auch viel Zeit in Anspruch.
Wie hat sich die Schweizer Regionalpolitik in der Zeit Ihrer Abwesenheit verändert?
Ich habe den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren viel Positives getan hat. Seit dem Paradigmenwechsel 2008 hat sich eine starke «NRP-Community» gebildet. Die Leute kennen sich, haben ein Gemeinschaftsgefühl und ein gemeinsames Verständnis der Aufgabe entwickelt. Auch konnte die NRP dank der Schwerpunktsetzung in den Bereichen Innovation und Tourismus noch stärker an Profil gewinnen.
Was sich in meiner Wahrnehmung ebenfalls verändert hat, sind die politischen Erwartungen an die Regionalpolitik. Ohne Zweitwohnungsinitiative gäbe es kaum ein Tourismus-Impulsprogramm zu Abfederung des Strukturwandels. Die Masseneinwanderungsinitiative hat den Fokus auf die Mobilisierung von Fachkräften in den Regionen verstärkt. Auch nachhaltige Entwicklung, die auf vorhandenen Potentialen aufbaut, ist noch stärker zum Thema geworden.
Was ist Ihr persönliches Ziel als neue Ressortleiterin?
Persönlich möchte ich weiter in die neue Rolle als Teamleiterin reinwachsen und diese möglichst gut erfüllen. Inhaltlich ist vieles vorgespurt für die nächsten Jahre. Trotzdem habe ich mir vorgenommen, mich nicht nur durch die Aktualität treiben zu lassen, sondern bewusst immer wieder Freiräume zu schaffen, beispielsweise für die Teamentwicklung oder für die Reflexion unserer Tätigkeit. Mittelfristig möchte ich auch die Regionalpolitik weiterentwickeln und gestalten – eine grundlegende «Revolution» ist dabei allerdings nicht zu erwarten.
Die Kantone erarbeiten zurzeit die Umsetzungsprogramme für die NRP-Förderperiode 2016–2019. Wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen?
Bundesintern sehe ich die Herausforderung, nächstes Jahr die alte Periode abzuschliessen und gleichzeitig die neue aufzugleisen – dies wird sehr intensiv. Insbesondere Fragen um die Ausgestaltung der Regionalen Innovationssysteme (RIS) wie auch des Tourismus-Impulsprogramms sind weiter zu klären. Grundsätzlich denke ich aber, die klare Schwerpunktsetzung in den Bereichen Innovation und Tourismus macht es für alle Beteiligten einfacher.
Eine zusätzliche Herausforderung für die NRP sehe ich zudem in der Kommunikation. Ziel sollte es sein, dass die NRP stärker wahrgenommen wird – auch über die Community hinaus. Es ist viel Gutes in Bewegung gekommen und es werden in allen Regionen spannenden Projekte umgesetzt. Die NRP als eigentliches Förderinstrument ist jedoch noch wenig bekannt.
Was werden Sie in den nächsten 100 Tagen als Ressortleiterin tun?
Es warten viele konzeptionelle Arbeiten. So werden wir die Prioritätensetzung in der Ausrichtung 2 der NRP überdenken. Auch die Neuausschreibung von regiosuisse wird uns beschäftigen. Ausserdem ist es wichtig, die anstehenden Vorlagen für den Bundesrat und das Parlament, welche die Eckwerte für die nächsten acht Jahre NRP bestimmen, gründlich vorzubereiten – das hat in den nächsten 100 Tagen erste Priorität.