Die Plattform für Regionalentwicklung in der Schweiz

Regionale Ungleichheit in der Schweiz

Das Wichtigste in Kürze:
  • Die Schweiz weist im Vergleich zu den Nachbarländern beim BIP pro Kopf eine tiefe Ungleichheit auf.

  • Im Inland sind auf Ebene der Regionen gewisse regionale Disparitäten zu beobachten. In den letzten Jahren haben sich die regionalen Disparitäten kaum verändert, d.h. sie sind weder deutlich grösser noch kleiner geworden.

    • Die Bevölkerung und die Arbeitsplätze in der Schweiz wachsen kontinuierlich, sowohl in den Regionen innerhalb als auch ausserhalb des NRP-Perimeters (siehe Box zur Perimeterabgrenzung). Zwischen 2011 und 2020 sind die Wachstumsraten in den Regionen unterschiedlich hoch ausgefallen, wobei eine gewisse Konzentration der Arbeitsplätze in grösseren Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters stattgefunden hat. Zudem sind in einzelnen, tendenziell peripheren Regionen innerhalb des NRP-Perimeters auch negative Entwicklungen beobachtbar.

    • Die Regionen innerhalb des NRP-Perimeters weisen ein tieferes durchschnittliches Reineinkommen pro Kopf auf. Im Zeitverlauf ist die Einkommensschere jedoch nicht aufgegangen und die Disparität zwischen den Regionen ist in etwa gleich gross geblieben.

    • Die Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters weisen eine höhere Bruttowertschöpfung pro Arbeitsplatz auf als die Regionen innerhalb des NRP-Perimeters. Die Covid-19-Pandemie hatte tendenziell einen dämpfenden Effekt auf die Disparität zwischen den Regionen.

  • Schlussfolgerung aus Sicht Regionalentwicklung: Damit die beschriebenen Disparitäten über die Zeit nicht zunehmen oder im besten Fall sogar abnehmen, ist eine Förderung der Regionen innerhalb des NRP-Perimeters gerechtfertigt und zentral.


Einleitung

Gemäss der OECD ist die regionale Ungleichheit innerhalb der einzelnen Länder in den letzten Jahren gestiegen. Einer der Hauptgründe für diese Entwicklung liegt laut OECD in der zunehmenden Konzentration der wirtschaftlichen Aktivitäten in den urbanen Ballungsräumen. Zudem haben kleinere und abgelegene Regionen zunehmend Schwierigkeiten, mit der nationalen Entwicklung Schritt zu halten.

Ein wichtiges Ziel der NRP ist die Reduktion der regionalen Ungleichheit in der Schweiz. Mit der vorliegenden Story widmet sich regiosuisse dem Thema der regionalen Disparitäten und blickt hierzu auf verschiedene Indikatoren, die sich an der «Impact-Ebene» der NRP orientieren. Die Impact-Ebene leitet sich direkt aus dem Zweckartikel (Art. 1) des Bundesgesetzes für Regionalentwicklung ab und definiert, was mit der NRP bewirkt werden soll. Konkret sieht das Wirkungsmodell der NRP für das Berggebiet, den weiteren ländlichen Raum und die Grenzregionen die folgenden Impact-Ziele vor:

  • Wettbewerbsfähigkeit: Die Wettbewerbsfähigkeit der Region ist gestiegen.
  • Wertschöpfung: Die Wertschöpfung der Region ist gestiegen.
  • Arbeitsplätze: Arbeitsplätze in der Region werden geschaffen respektive erhalten.
  • Dezentrale Besiedelung: Die dezentrale Besiedlung in der Schweiz wird erhalten.
  • Regionale Disparitäten: Die regionalen Unterschiede in der Schweiz nehmen ab. 

Ziel der nachfolgenden Analysen ist die Beschreibung und Interpretation der regionalen Disparität in den einzelnen Themenbereichen. Der Einfluss der NRP kann und soll hierbei nicht quantifiziert werden, hingegen kann ein Fazit aus Sicht NRP gezogen werden. In der vorliegenden Story wird zwischen Regionen innerhalb und ausserhalb des NRP-Perimeters unterschieden (siehe Box). Beim Bundesamt für Statistik (BFS) finden sich zahlreiche weitere Indikatoren zu den regionalen Disparitäten. Diese Statistiken sind breiter gefasst und werden meist auf Ebene der Arbeitsmarkregionen oder auf Kantonsebene ausgewiesen. Zudem erfolgt die Beschreibung der Indikatoren beim BFS rein deskriptiv und auf eine Interpretation der Entwicklung der regionalen Ungleichheit wird bewusst verzichtet. 


Beim BIP pro Kopf weist die Schweiz eine tiefe Ungleichheit zwischen den Kantonen auf

Im Vergleich zu den Nachbarländern weist die Schweiz hinsichtlich des BIP pro Kopf eine tiefe Ungleichheit auf. Vergleicht man den Gini-Koeffizienten (siehe Methodik-Box) auf Ebene der NUTS3-Regionen (dies entspricht z. B. in der Schweiz den Kantonen, in Deutschland den Kreisen und in Frankreich den Départements), so weist nur Österreich eine tiefere Ungleichheit auf als die Schweiz. Während in Italien die Ungleichheit hauptsächlich auf das wirtschaftliche Gefälle zwischen Nord und Süd zurückzuführen ist, ist in Deutschland nach wie vor ein Ost-West-Gefälle beobachtbar. In Frankreich schliesslich führen zwei Faktoren zu einer tendenziell höheren Ungleichheit: Einerseits ist Frankreich mit dem Wirtschaftszentrum Paris zentralistisch geprägt. Andererseits führen die Überseedepartements (z.B. in der Karibik) zu einer grösseren Ungleichheit beim BIP pro Kopf. 
 

 

Methodik-Box

Ungleichheitsmasse: In den Analysen werden verschiedene Ungleichheitsmasse verwendet – meist in Kombination. Nachfolgend werden die wichtigsten Ungleichheitsmasse kurz erläutert.

  • Gini-Koeffizient: Der Gini-Koeffizient ist ein Mass für die relative Konzentration (z.B. von Vermögen) und kann einen Wert zwischen Null und Eins annehmen. Ein Wert von Null entspricht vollkommener Gleichheit, ein Wert von Eins bedeutet hingegen vollkommene Ungleichheit.
  • Variationskoeffizient: Der Variationskoeffizient ist ein Mass für die relative Streuung. Der Variationskoeffizient gibt an, wie viel Prozent des Durchschnitts die Standardabweichung beträgt. Mathematisch handelt es sich also um das Verhältnis der Standardabweichung zum Mittelwert.
  • 20:20-Ratio: Die 20:20-Ratio vergleicht, wie viel reicher die obersten 20% der Bevölkerung im Vergleich zu den untersten 20% der Bevölkerung sind. Die 20:20-Ratio wird auch von der OECD als Ungleichheitsmass verwendet. 
Wirkung der NRP: Der Einfluss der NRP kann in den vorliegenden Analysen nicht quantifiziert werden. Aufgrund der vielfältigen Wirkungszusammenhänge kann ein direkt messbarer und kausaler Zusammenhang zwischen den beobachteten Entwicklungen der Indikatoren und den regionalpolitischen Massnahmen der NRP nicht gemessen werden. Hingegen kann ein Fazit aus Sicht NRP gezogen werden.

Einfluss von COVID-19: Wie die Auswertungen von regiosuisse zur COVID-19-Pandemie gezeigt haben, hatte die Pandemie vielfältige Auswirkungen auf die Regionalökonomie. Hierbei hat sich die Pandemie auch auf die regionalen Disparitäten ausgewirkt. In den einzelnen Themenbereichen wird – wo sinnvoll – auf die Auswirkungen der Pandemie eingegangen. 

Im Vergleich zu den Nachbarländern weist die Schweiz also eine tiefe Ungleichheit auf. Doch wie sieht die Ungleichheit zwischen den Regionen konkret aus und wie hat sie sich in den letzten Jahren entwickelt? In den nachfolgenden Abschnitten werden die regionalen Disparitäten in Bezug auf das Bevölkerungswachstum, die Arbeitsplätze sowie die Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung näher betrachtet.

 

Abgrenzung NRP-Perimeter für die vorliegenden Analysen:

In der vorliegenden Analyse wird zwischen Regionen innerhalb und ausserhalb des NRP-Perimeters unterschieden. Wo vorhanden, werden für die regionale Abgrenzung die NRP-Regionen verwendet, ausserhalb des NRP-Perimeters wird zusätzlich auf die Bezirksebene zurückgegriffen. Die Zuordnung der einzelnen Regionen zum NRP-Perimeter erfolgt in den Darstellungen dieser Story aufgrund der Bevölkerungszahl: Wohnen mehr als 50 % der Bevölkerung einer Region im örtlichen Wirkungsbereich der NRP gemäss der Verordnung über die Regionalpolitik (Art. 1), wird die Region dem NRP-Perimeter zugeordnet*. Die regionale Abgrenzung weicht somit leicht vom gemeindescharfen Wirkungsbereich ab.


* Beispiel: Die NRP-Region Bern-Mittelland umfasst rund 75 verschiedene Gemeinden. Davon liegt zwar die Mehrheit, nämlich 45 Gemeinden, im örtlichen Wirkungsbereich gemäss der Verordnung über die Regionalpolitik (Art. 1). Da die Einwohnerinnen und Einwohner dieser Gemeinden aber weniger als 50% der Gesamtbevölkerung der NRP-Region ausmachen, wird die gesamte NRP-Region Bern Mittelland dem Bereich «ausserhalb des NRP-Perimeters» zugeordnet.

 

Die Bevölkerung wächst stetig

Die Bevölkerung der Schweiz ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Hierbei ist die Bevölkerung innerhalb des NRP-Perimeters in der Periode 2011-2021 etwas weniger stark gewachsen als ausserhalb des NRP-Perimeters. Von den rund 8.7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz leben Stand 2021 über 5 Millionen oder mehr als 60% innerhalb des NRP-Perimeters. Interessant: Bereits 1980 lebten rund 60% der Bevölkerung innerhalb des heutigen NRP-Perimeters.

 


Höheres Bevölkerungswachstum in Zentrumsnähe

Das Bevölkerungswachstum innerhalb und ausserhalb des NRP-Perimeters fällt von Region zu Region unterschiedlich aus. Dabei zeigt sich unter anderem, dass das relative Bevölkerungswachstum mit der Fahrzeit zum nächsten Zentrum, gemessen an der Fahrzeit mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV), korrespondiert. So weisen einerseits zentrumsnahe Regionen (in der Grafik weiter links verortet) tendenziell ein höheres Bevölkerungswachstum auf als die Zentren selbst. Ein möglicher Grund dafür ist, dass in den Regionen um die Zentren noch eher Raum für Bautätigkeiten vorhanden ist als in den Zentren, wo ein stärkerer Verteilungskampf zwischen den verschiedenen Raumnutzungen herrscht. Andererseits sinkt das Bevölkerungswachstum in der Tendenz mit zunehmender Entfernung von den Zentren und weit entfernten Regionen – beispielsweise in den Berggebieten – und diese weisen oftmals ein geringeres oder sogar negatives Bevölkerungswachstum auf (in der Grafik auf der rechten Seite verortet). Dabei ist zu beachten, dass es keinen einfachen Kausalzusammenhang zwischen einer guten Erreichbarkeit und dem Bevölkerungswachstum gibt, sondern dass das Bevölkerungswachstum von einem Zusammenspiel zahlreicher Faktoren abhängt. 
 


Tieferes Arbeitsplatzwachstum innerhalb des NRP-Perimeters

Während über 60% der Schweizer Bevölkerung im NRP-Perimeter wohnt, befindet sich mit 53% auch die Mehrheit der Arbeitsplätze im NRP-Perimeter. Die Arbeitsplatzdichte (Anzahl Arbeitsplätze pro Einwohnerin und Einwohner) ist somit innerhalb des NRP-Perimeters geringer als ausserhalb. Die Arbeitsplatzdichte zeigt einerseits, dass die Menschen häufiger innerhalb des NRP-Perimeters wohnen und ausserhalb des NRP-Perimeters (d.h. eher in den Zentren) arbeiten und entsprechend auch dahin pendeln müssen. Andererseits kann die Arbeitsplatzdichte auch als Indikator für die relative wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Region herangezogen werden.
 

Bei Betrachtung der Entwicklung der Anzahl Arbeitsplätze zeigt sich, dass diese in den Regionen innerhalb des NRP-Perimeters zwischen 2011 und 2014 im Durchschnitt minim stärker gewachsen ist als die Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters. Ab 2014 hat sich dieser Trend jedoch umgekehrt und die Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters sind stärker gewachsen. Über das letzte Jahrzehnt hinweg ergibt sich dadurch ein stärkeres durchschnittliches Wachstum in den Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters und folglich eine etwas stärkere Konzentration der Arbeitsplätze in den urbanen Räumen.


Regionale Unterschiede beim Arbeitsplatzwachstum

Auf Ebene der Regionen zeigen sich bei der Entwicklung der Arbeitsplätze teilweise grössere regionale Unterschiede. Auffallend ist insbesondere die Konzentration des Wachstums in den Regionen um den Genfer- und Zürichsee (tendenziell ausserhalb des NRP-Perimeters) sowie in der Ostschweiz (innerhalb des NRP-Perimeters). Die Extreme, d.h. die Regionen mit den höchsten und den tiefsten relativen Wachstumsraten, liegen dagegen vor allem innerhalb des NRP-Perimeters. Besonders auffällig sind die Veränderungen im Kanton Uri: Auf der einen Seite weist das Urserental mit dem Tourismus-Hotspot Andermatt das schweizweit höchste relative Arbeitsplatzwachstum zwischen 2011 und 2020 auf (gut 67%). Auf der anderen Seite weisen unter anderem die Regionen Äussere Seegemeinden, Oberes Reusstal und Hinteres Schächental (alle Kanton Uri) die schweizweit tiefsten relativen Veränderungsraten auf. Eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung ist, dass eine gewisse Verschiebung der wirtschaftlichen Aktivitäten und damit der Arbeitsplätze zwischen diesen benachbarten Regionen stattgefunden hat.


Die nachfolgende Abbildung zeigt, ob eine Region in der Periode von 2011 bis 2020 eher ein Bevölkerungs- oder ein Arbeitsplatzwachstum aufzuweisen hatte. Die Werte beziehen sich auf die relativen Veränderungen. Bei der Bevölkerung sind nur Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 64 berücksichtigt. Die Grösse der Kreise zeigt zusätzlich die absolute Zahl der Arbeitsplätze im Jahr 2020. Die Ursprungslinie (durch den Nullpunkt) erlaubt eine Unterscheidung: Regionen rechts der Ursprungslinie weisen ein stärkeres Wachstum der Arbeitsplätze als der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter auf – hier finden sich sowohl zentral gelegene Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters wie die Région du Gros-de-Vaud, der District de Nyon oder der Kanton Zug als auch zentral gelegene Regionen innerhalb des NRP-Perimeters wie LuzernPlus, Regio Frauenfeld oder Luganese e Valli. Demgegenüber weisen die Regionen links der Ursprungslinie ein stärkeres Bevölkerungs- als Arbeitsplatzwachstum auf. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Regionen Lebensraum Lenzburg Seetal, das untere Bünztal oder Oberthurgau.

Es gibt aber auch einzelne Regionen, die für die Periode von 2011 bis 2020 negative Wachstumswerte aufweisen, und zwar sowohl bei der Entwicklung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter als auch bei den Arbeitsplätzen. Auffällig ist dabei, dass davon fast ausschliesslich Regionen innerhalb des NRP-Perimeters betroffen sind, die sich im tendenziell peripheren Raum der Alpen, Voralpen und Jurabogen befinden. Darunter fallen Regionen wie die Äussere Seegemeinden, Engiadina Bassa/Val Müstair, Glarus Süd, Maloja, Montagnes neuchâteloises oder auch die Region Prättigau/Davos. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch Regionen, in welchen zwar Arbeitsplätze geschaffen wurden, die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter aber rückläufig ist. Auch dies betrifft insbesondere peripher gelegene Regionen wie z.B. Surselva, Albula, Bernina oder das Val-de-Travers. 

Hinweis: In Regionen mit vielen Grenzgängerinnen und Grenzgängern oder auch mit exportorientierten Industrien können sich im Beobachtungszeitraum (2011-2020) bereits gewisse Corona-Effekte manifestieren.
 

Obwohl die Regionen im letzten Jahrzehnt unterschiedliche Wachstumsraten bei der Bevölkerung und den Arbeitsplätzen verzeichneten, haben die Grössenunterschiede zwischen den Regionen nicht merklich zugenommen – lediglich bei den Arbeitsplätzen haben die Disparitäten minim zugenommen.


Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung

Die Schweiz gehört zu den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt. Zudem sind die Einkommen im internationalen Vergleich hoch. Die folgende Abbildung stellt die Bruttowertschöpfung dem Reineinkommen einer Region gegenüber. Die Bruttowertschöpfung pro Vollzeitäquivalente wurde über den Branchenmix und die Löhne auf Ebene der Grossregionen ermittelt. Das Reineinkommen pro Kopf wurde über die gesamte Wohnbevölkerung ermittelt. Beide Werte sind indexiert, wobei ein Wert von 100 dem Landesdurchschnitt entspricht. 

Anhand der Ursprungslinie (durch den Nullpunkt) lassen sich u.a. Indizien für einseitige Pendlerströme ablesen. Dabei können Regionen auf der Geraden als in sich geschlossene Regionen betrachtet werden – im Sinne von «man wohnt dort, wo man arbeitet» bzw. hohe Einkommen fallen dort an, wo auch eine hohe Wertschöpfung generiert wird. Regionen rechts der Geraden weisen ein höheres indexiertes Nettoeinkommen im Vergleich zur Bruttowertschöpfung auf. Dies bedeutet, dass sich diese Regionen tendenziell als «Wohnregionen» auszeichnen, z.B. weil sie steuerlich attraktiv sind. Demgegenüber weisen die Regionen auf der linken Seite der Geraden eine höhere indexierte Bruttowertschöpfung im Vergleich zum Reineinkommen auf. Ein möglicher Grund dafür können z.B. wertschöpfungsintensive Branchen sein, die grössere Pendlerströme aus anderen Regionen generieren.
 

Das durchschnittliche Reineinkommen pro Kopf ist ausserhalb des NRP-Perimeters rund 25 Prozent höher als innerhalb des NRP-Perimeters. Im letzten Jahrzehnt sind die Einkommen innerhalb des NRP-Perimeters jedoch etwas stärker gewachsen als ausserhalb des NRP-Perimeters. Über den gesamten Zeitraum gesehen hat sich die Ungleichheit zwischen den Regionen aber kaum verändert und ist ziemlich konstant.

Auch bei der Bruttowertschöpfung pro Vollzeitäquivalente weisen die Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters tendenziell höhere Werte auf als innerhalb des Perimeters. So liegt die Bruttowertschöpfung pro Vollzeitäquivalente ausserhalb des NRP-Perimeters rund 20 Prozent höher als innerhalb des NRP-Perimeters. Interessanterweise hatte die COVID-19-Pandemie einen leicht dämpfenden Effekt auf die Disparitäten zwischen den Regionen: Nach einer Zunahme der Disparität in den Vorjahren hat im Zuge der COVID-19-Pandemie eine gewisse Annäherung zwischen den Regionen innerhalb und ausserhalb des NRP-Perimeters stattgefunden. Dieser Effekt dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass der Einbruch des internationalen Handels die Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters stärker getroffen hat.


Zusammenfassung: Regionale Ungleichheiten vorhanden, über die Zeit aber konstant

Im Vergleich mit den Nachbarländern weist die Schweiz hinsichtlich des BIP eine relativ tiefe Ungleichheit auf. Nichtsdestotrotz sind im Inland auf Ebene der Regionen gewisse regionale Disparitäten zu beobachten. In den letzten Jahren haben sich die analysierten regionalen Disparitäten kaum verändert, d.h. sie sind weder deutlich grösser noch deutlich kleiner geworden. Auch ein «Auseinanderdriften» der Regionen innerhalb und ausserhalb des NRP-Perimeters ist nicht erkennbar:

  • Die Bevölkerung ist praktisch gleich stark gewachsen. Auch die Zahl der Arbeitsplätze hat sich ähnlich entwickelt. Allerdings ist eine gewisse Konzentration in den zentral gelegenen Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters zu beobachten. Zudem weisen einzelne Regionen innerhalb des NRP-Perimeters bei der Bevölkerung und/oder den Arbeitsplätzen negative Wachstumsraten auf. Dabei handelt es sich insbesondere um peripher gelegene Regionen.
  • Die Einkommen sind innerhalb des NRP-Perimeters tiefer als ausserhalb des NRP-Perimeters, die Ungleichheit zwischen den Regionen hat aber über die Zeit nicht zugenommen.
  • Bei der durchschnittlichen Bruttowertschöpfung pro Vollzeitäquivalente, die ausserhalb des NRP-Perimeters höher ist als innerhalb des NRP-Perimeters, hat im Zuge der COVID-19-Pandemie eine gewisse Annäherung zwischen den Regionen stattgefunden. Dies nachdem die Disparität zwischen den Regionen in den Jahren zuvor tendenziell gestiegen war.

 

Fazit aus Sicht der Neuen Regionalpolitik (NRP)

Die bestehenden Unterschiede zwischen den Regionen innerhalb und ausserhalb des NRP-Perimeters zeigen, dass die NRP ihre Berechtigung hat. Gerade was das Reineinkommen und die Bruttowertschöpfung betrifft, weisen die Regionen ausserhalb des NRP-Perimeters tendenziell höhere Werte auf. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, das Bund und Kantone diese Regionen bei ihrer regionalwirtschaftlichen Entwicklung unterstützen. Dass die Ungleichheiten im betrachteten Zeitraum in der Schweiz im Gegensatz zur Mehrzahl der OECD-Länder nicht zugenommen haben, ist ein Indiz (wenn auch kein Beweis eines kausalen Zusammenhangs), dass die NRP ihre gewünschte Wirkung entfaltet. Mit dem Ziel, dass diese Disparitäten über die Zeit nicht zunehmen oder im besten Fall sogar abnehmen, ist eine Förderung der Regionen innerhalb des NRP-Perimeters gerechtfertigt und zentral.
 

Anhang: Zusätzliche Grafiken zur Bruttowertschöpfung und zum Reineinkommen

 

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