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Partizipatives Budget: Wie gelingt die Umsetzung?

Lausanne, Zürich, Luzern und Emmen oder Aarau: Immer mehr Städte und Gemeinden in der Schweiz setzen ein partizipatives Budget um. Das Format schafft neue Beteiligungsmöglichkeiten und erlaubt der Bevölkerung das direkte Mitgestalten des eigenen Lebensraumes. Doch was ist bei der Umsetzung zu beachten? Welche Phasen durchläuft ein solcher Prozess? Wir zeigen anhand von zwei Beispielen aus Lausanne sowie aus Luzern und Emmen auf, wie das partizipative Budget erfolgreich Projekte vor Ort ermöglicht hat.

Mit einem partizipativen Budget entscheiden Bürgerinnen und Bürger einer Stadt oder Gemeinde mit, wie ein Teil des öffentlichen Budgets verwendet wird. Ziel ist es die Bevölkerung in die Gestaltung ihres Lebensraumes einzubinden, das Zusammenleben zu stärken, Identität zu stiften und eine neue, positive Dynamik auszulösen. Das Format des partizipativen Budgets, auch bekannt als Mitmach-Budget oder Bürgerhaushalt, wurde bereits in verschiedenen brasilianischen Städten, in Reykjavik und Barcelona erfolgreich umgesetzt. Nun hält es auch in immer mehr Schweizer Städten Einzug, oftmals im Rahmen der Umsetzung von Smart City Strategien.

Bei den Schweizer Beispielen umfasst das partizipative Budget in der Regel einen Beteiligungsprozess mit vier Phasen:

  • Ideeneingabe: Bürgerinnen und Bürger können Ideen einreichen
  • Überprüfung: Machbarkeit abklären, bei Bedarf Anpassung der Ideen
  • Abstimmung: Bürgerinnen und Bürger wählen die Ideen aus, die umgesetzt werden sollen
  • Umsetzung: Bürgerinnen und Bürger setzen die gewählten Ideen um

Von Stadt zu Stadt unterscheiden sich die Detailkriterien für die Teilnahme und der Perimeter (ganze Stadt oder nur einzelne Quartiere). Was alle partizipativen Budgets verbindet: Die Projektideen müssen einen Mehrwert für den jeweiligen Stadtteil und seine Bewohnerinnen und Bewohner schaffen und dürfen nicht kommerziell sein. Die Eingabe und Abstimmung erfolgen in der Regel via einer Online-Plattform. In Lausanne beispielsweise kann aber zusätzlich auch «offline» abgestimmt werden.

Das partizipative Budget stellt ein spannendes Demokratie-Instrument dar, das allen offensteht, unabhängig von Alter oder Nationalität. Alle erhalten die Möglichkeit ihren Lebensraum zu gestalten und es werden direkt von den Betroffenen Projekte umgesetzt, die den effektiven Bedürfnissen vor Ort entsprechen. 

 

(©Quartierverein Meierhöfli
© Le Centre des Boveresses

Begegnungsmöglichkeiten für Jung und Alt mit dem Quartiertreff Pizzaofen in LuzernNord (© Quartierverein Meierhöfli) und das Siruphäuschen auf einem Spielplatz in Lausanne (© Le Centre des Boveresses).


Partizipatives Budget Lausanne

2019 hat Lausanne das erste partizipative Budget der Schweiz als Pilot getestet – mit Erfolg. Das partizipative Budget wird inzwischen jährlich in allen Quartieren der Stadt durchgeführt und laufend verbessert. Allein im Jahr 2022 haben sich über 18'000 Personen an der Abstimmung beteiligt und 12 Projekte für die Umsetzung ausgewählt. In der Stadtverwaltung kümmert sich Julie Erard mit einem Pensum von 80% um die Koordination des Prozesses. Wichtiger Erfolgsfaktor ist gemäss Julie Erard die gezielte Kommunikation und die Arbeit im Terrain. Die Stadt setzt dabei auf Botschafterinnen und Botschafter, die in den Quartieren das partizipative Budget während der gesamten Projektlaufzeit bekannt machen. Sehr hilfreich ist ausserdem die Begleitung der Projektträgerschaften in der Entwicklungs- und Umsetzungsphase. Diese Aufgabe delegiert die Stadt Lausanne an Quartierzentren oder andere im Quartier verankerte Organisationen. Ebenfalls sehr hilfreich für eine erfolgreiche Umsetzung ist ein Vernetzungstreffen für die Projektträgerschaften, das nach der Abstimmung und vor der Umsetzung durchgeführt werden.

Aus Sicht von Julie Erard bietet das partizipative Budget grosse Mehrwerte. Einerseits für die Stadtverwaltung: Sämtliche Dienststellen sind in der Machbarkeitsprüfung involviert und das generierte Wissen über die Bedürfnisse der Einwohnerinnen und Einwohner von Lausanne fliesst letztlich auch in andere Projekte und Vorhaben der Stadt ein. Und was noch wichtiger ist: Mit dem Bürgerhaushalt wird eine Brücke zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Bevölkerung geschlagen.

Andererseits profitieren die Bewohnerinnen und Bewohner der Quartiere direkt von den umgesetzten Ideen. Julie Erard ist beeindruckt vom grossen Engagement der Bevölkerung und von den vielen bereits umgesetzten Projekten und freut sich über zahlreiche Eingaben in der laufenden Periode des partizipativen Budgets. Das auf die Projekte verteilbare Budget beträgt in diesem Jahr CHF 200'000.-.
 
Grafik Lausanne

Das partizipative Budget in Lausanne 2022 auf einen Blick (© Stadt Lausanne).


Quartiereffekt LuzernNord

Das partizipative Budget wurde 2022 im Gebiet LuzernNord getestet. Ein Quartier der Stadt Luzern und der Gemeinde Emmen, das sich in Entwicklung befindet. Im Lead für die Umsetzung des Pilotprojektes Quartiereffekt im Rahmen von Smart City LuzernNord war Christoph Zurflüh, Gebietsmanager im Mandat von LuzernPlus. Ziel war es unter anderem das Engagement der Bevölkerung zu fördern, die Identifizierung mit dem neu entstehenden Gebiet zu stärken, das Mitgestalten zu ermöglichen und Erfahrungen zu sammeln, mit einem neuen, niederschwelligen Partizipationsformat.

Christoph Zurflüh ist mit der Pilotumsetzung sehr zufrieden. 17 Ideen wurden eingereicht und vier Projekte für die Umsetzung ausgewählt. Eine weitere Idee wird von der Stadt Luzern in Abstimmung mit den Initiantinnen und Initianten weiterverfolgt. Das zu verteilende Budget betrug CHF 21'000.-.

Wichtige Erfolgsfaktoren aus Sicht von Christoph Zurflüh sind klare Spielregeln und einfache Kriterien für die Teilnahme, eine niederschwellige Eingabemaske und die unbürokratische Umsetzung. Sehr wichtig ist eine zielgruppengerechte Kommunikation auf verschiedenen Kanälen. Hier bestehe noch Verbesserungspotenzial. Aufgrund der beschränkten Ressourcen des Projektteams, könnte hier zukünftig verstärkt mit Multiplikatoren im Quartier zusammengearbeitet werden.

Ein einfacher, niederschwelliger Pilot ist gemäss Christoph Zurflüh sehr zu empfehlen, um das Format zu testen. Aus seiner Sicht sind dafür Transformationsgebiete sehr geeignet: Da noch nicht vieles (be)steht, sind sie gut bespielbar und die umgesetzten Projekte können identitätsstiftend für den neu entstehenden Siedlungsraum wirken. Auch ist das Format hilfreich um verschiedene Akteure, wie z.B. die Investorinnen und Investoren für das Thema Zusammenleben zu sensibilisieren, so dass diese darauf auch in der weiteren Planung und Entwicklung des Gebietes stärker Bezug nehmen. 

Eine weitere Durchführung wäre gemäss Christoph Zurflüh wünschenswert. Die Herausforderung besteht nun darin, das partizipative Budget in den Regelbetrieb der Stadt Luzern und der Gemeinde Emmen zu überführen.


Wichtigste Erkenntnisse und Tipps für die Umsetzung

  • Das partizipative Budget bietet eine wertvolle, niederschwellige Beteiligungsmöglichkeit aus der identitätsstiftenden Initiativen entstehen können.
  • Eine Pilotphase in einem überschaubaren Perimeter ist empfehlenswert. Wichtig dabei: Mutig sein, testen, lernen.
  • Das partizipative Budget muss einfach und niederschwellig aufgebaut sein. Eine klare Kommunikation, einfache Kriterien und eine unbürokratische Eingabe und Umsetzung sind wichtig, damit sich die Quartierbevölkerung engagiert. 
  • In die Kommunikation investieren und eine breite Bevölkerung erreichen ist wichtig. Hier lohnt sich die Zusammenarbeit mit Multiplikatoren
  • Eine Begleitung der Projektträgerschaften bei der Entwicklung und Umsetzung der Projektideen ist empfehlenswert. 
  • Sich vor dem Start mit anderen Städten oder Gemeinden austauschen ist hilfreich. Wer mehr zu den Erfahrungen aus Lausanne oder Luzern erfahren möchte, kann sich gern an Julie Erard (julie.erard@lausanne.ch) oder Christoph Zurflüh (c.zurflueh@luzernplus.ch) wenden.

 

Tipps zum Starten: Leitfaden partizipatives Budget 

Städte und Gemeinden, die sich für die Umsetzung eines partizipativen Budgets interessieren erhalten mit dem Leitfaden partizipatives Budget Unterstützung. Nach der Beantwortung einiger Fragen erhalten sie eine Empfehlung hinsichtlich Rahmenbedingungen und Prozessdesign eines partizipativen Budgets. (Der Leitfaden ist nur auf Deutsch verfügbar). 

Der Leitfaden wurde erstellt den Verein Urban Equipe und die Stiftung Risiko-Dialog im Rahmen einer Förderung des innoBooster Swiss Smart Cities.


Weitere Beispiele und Informationen zum Thema:

 

 

Quelle:Titelbild © Mélina Wicht

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