«regioS 21»: Neuer Umgang mit Zweitwohnungen
Vor knapp 10 Jahre hat die Schweizer Stimmbevölkerung im März 2012 der Beschränkung des Zweitwohnungsbaus zugestimmt und seit fünf Jahren ist das entsprechende Zweitwohnungsgesetz in Kraft. In der Zwischenzeit hat sich in den Gemeinden mit hohem Zweitwohnungsanteil, die zumeist im Alpenraum, vereinzelt auch im Jurabogen zu finden sind, vieles bewegt – Erwartetes, Überraschendes und Innovatives.
Einen breiten Überblick der Entwicklungen bietet inzwischen die Wirkungsanalyse des Bundes, die in fünf Teilstudien die landschaftlichen, volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Wirkungen, den Vollzug sowie gute Beispiele untersucht hat. Sie zeigt: das Gesetz wirkt und die wirtschaftlichen Auswirkungen sind bei weitem nicht so gross, wie mancherorts befürchtet oder prophezeit wurde. Falsch lag beziehungsweise liegt aber auch, wer meinte, nach der Abstimmung würden keine neuen Zweitwohnungen mehr gebaut. Vermutlich als Folge der Finanzkrise 2008 war der Zweitwohnungsbau zwar schon vor der Abstimmung 2012 zusammengebrochen. Unmittelbar nach Annahme der Initiative prägte in zahlreichen Bergregionen vorerst ein Bauboom das wirtschaftliche Geschehen. Gebaut wurden Projekte, die noch vor Ende 2012 bewilligt worden waren und nicht unter den Baustopp fielen. Unter den Übergangsbestimmungen gelangte 2013 und 2014 zudem an vielen Orten eine beachtliche Zahl neuer Zweitwohnungen auf den Markt. Doch auch das Zweitwohnungsgesetz (ZWG) erlaubt Zweitwohnungen zu erstellen, etwa als sogenannt touristische genutzte Wohnungen oder als bewirtschaftete Wohnung im Rahmen strukturierter Beherbergungsbetriebe, also Wohnungen, die auf die Vermietung und nicht auf die Bedürfnisse ihrer jeweiligen Eigentümerinnen und Eigentümer ausgerichtet sind. So wurden 2019, im Jahr vor Covid-19, in den vom ZWG betroffenen Gemeinden noch rund 2000 Baubewilligungen für Zweitwohnungen erteilt – rund dreimal weniger als in den Boomjahren 2006 bis 2008. Der Flächenbedarf für neue Zweitwohnungen ist im Zweitraum 2013 bis 2018 um rund einen Drittel zurückgegangen im Vergleich zum Zeitraum 2007 bis 2012.
Ende eines Geschäftsmodells – neue Konzepte
Für die betroffenen Gemeinden bedeuteten die Abstimmung beziehungsweise das Zweitwohnungsgesetz dennoch das Ende eines seit Jahrzehnten lukrativen Geschäftsmodels, das voll und ganz auf die Bauinvestitionen fokussierte. Entsprechend traf die Wende nicht überraschend in erster die Bau- und Immobilienwirtschaft. Der wirtschaftliche Schaden fiel aber auch in diesem Wirtschaftssektor kleiner aus als prognostiziert. In den Hotspots des Zweitwohnungsmarktes brachen die Bauaktivitäten zwar um rund 20 Prozent ein. Die Bauwirtschaft profitiert aber nicht nur vom zwischenzeitlichen Bewilligungs- und Bauboom, sondern vom inzwischen wachsenden Bedarf für den Unterhalt und die Erneuerung des Zweitwohnungsbestandes. Breiter aufgestellte Firmen vermochten sich so neue Marktsegmente zu erschliessen oder konnten ihr Marktgebiet etwa ins Unterland ausweiteten.
Zweitwohnungen, die den heutig geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend, entstehen etwa in neuen Beherbergungskonzepten, wie die Resalpina GmbH eines mit dem Swisspeak Resort in Meiringen BE realisierte – ein 30-Millionen-Franken-Projekt mit 79 Wohnungen und 426 Betten, das Ende 2019 nach zweijähriger Bauzeit eröffnete. Bewirtschaftet wird es von der Interhome AG, die bereits im ersten Betriebsjahr eine Auslastung von 80 Prozent verzeichnete. Die Resalpina GmbH plant neun weitere vergleichbare Resorts. Grosses Interesse an derartigen neuen Resortkonzepten zeigen vor allem auch die Bergbahnunternehmen, von denen inzwischen über 40 Prozent in diesem Bereich aktiv sind.
Services für Zweitwohnungsbesitzende
Zu den neuen Geschäftsmodellen gehören aber auch Angebote, die Zweitwohnungsbesitzende mit Dienstleistungen bei der Bewirtschaftung ihrer Liegenschaften unterstützen. Die regionale Plattform warmesbett.ch etwa betreut in der Surselva (GR) in einen Rundumservice rund 80 Mietobjekte. Das von der Neuen Regionalpolitik (NRP) in der Startphase unterstützte Projekt «Alles-aus-einer-Hand» entlastet die Zweitwohnungsbesitzenden ebenfalls. Die Reno Rent AG renoviert dabei – vorerst in der Region Prättigau/Davos – Ferienwohnungen, die die Firma von den Eigentümerinnen und Eigentümern kostenlos zur Nutzniessung übernommen hat, und vermietet sie an Feriengäste. Die Eigentümerinnen und Eigentümer partizipieren an den Mieteinnahmen und profitieren von einer bequemen Abwicklung sämtlicher Geschäfte aus einer Hand, inklusive Finanzierung. Das Modellvorhaben «Alpine Sabbatical» bietet im Prättigau und der Surselva in knapp zwei Dutzend Unterkünften touristische Angebote für Leute, die eine längere Auszeit von ihrem beruflichen Leben nehmen – Angebote, die bereits heute auf reichlich Anklang stossen und von denen die Initiantinnen überzeugt sind, dass die Nachfrage noch stärker ansteigen wird, sobald Covid-19 kein Thema mehr sein wird.
Auch die Gemeinden sind aktiv geworden. Grächen oder Val de Bagnes im Wallis etwa haben ihre Kurtaxenreglemente aktualisiert und versuchen damit – zum Teil erfolgreich – Anreize für eine intensiver Nutzung der Zweitwohnungen zu schaffen. St. Moritz GR oder Hasliberg BE wiederum suchen den Kontakt mit den Zweitwohnungsbesitzenden – sei es, um diese besser zu integrieren und allenfalls als «Zweitheimische» zu gewinnen, oder sei es, um sie für eine verstärkte Vermietung zu motivieren. Wie bei den aktualisierten Kurtaxenreglementen ist es dabei das Ziel, die Zahl der kalten Betten zu reduzieren – mit dem erwünschten Nebeneffekt, dass der laufende Strukturwandel vom monosaisonalen zu einem Ganzjahrestourismus beschleunigt wird.
Von den Massnahmen, die kalten Betten zu reduzieren, darf man sich allerdings auch nicht allzu viel versprechen. Zum einen reguliert das Zweitwohnungsgesetz den Neubau von Zweitwohnungen, zum anderen besteht ist nur ein kleinerer Teil der Besitzerinnen und Besitzern des grossen Bestandes an Zweitwohnungen daran interessiert, die Wohnung überhaupt zu vermieten. Eine Situation, die sich auf kurze Sicht nicht ändern dürfte. Eine Chance bietet diesbezüglich allenfalls der Generationenwechsel. Dienstleistungsangebote wie warmesbett.ch oder «Alles-aus-einer-Hand» dürfte für die nachrückende Generation in vielen Fällen attraktiv sein.
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