regioS 19: Regionen im Krisentest
Die anhaltende Corona-Krise setzt der Schweizer Wirtschaft zu. Besonders hart trifft es unter anderem den Tourismus und Industriebranchen, die stark auf den Export ausgerichtet sind, Wirtschaftszweige also, die in manchen Regionen im Zielgebiet der Neuen Regionalpolitik (NRP) eine zentrale Rolle spielen. Der Tourismus bildet darüber hinaus einen Schwerpunkt der NRP-Förderung. Grund genug also, dass sich «regioS», das Magazin für Regionalentwicklung, in der aktuellen Ausgabe des Themas annimmt.
Von den Tourismusregionen litten besonders jene unter der Krise, die stark auf ausländische Gäste ausgerichtet sind, also Destinationen wie Engelberg/Titlis oder das Berner Oberland mit der Jungfrauregion. Bei ihnen brach der internationale Markt praktisch vollständig weg, und Schweizerinnen und Schweizer, die aufgrund fehlender Auslandalternativen ihre Sommerferien im Inland verbrachten, vermochten diese Ausfälle nur zum Teil zu kompensieren. Gewisse periphere Regionen erlebten dagegen einen eigentlichen Boom. Im Puschlav beispielsweise meldeten die Hotels schon früh «ausgebucht». Die Surselva steigerte die Logiernächtezahl im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent, das Unterengadin um 43 Prozent und das italienischsprachige Bergell gar um 53 Prozent. Dieser Aufschwung setzte sich bis in den Herbst hinein fort. Das zeigen auch die auf der regiosuisse-Website verfügbaren Auswertungen zu den regionalwirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise.
Massnahmen der NRP zeigen Wirkung
«Es ist nicht Aufgabe der NRP, in einer solchen Ausnahmesituation hektischen Aktivismus zu entfalten und Krisenintervention oder gar Notfallhilfe zu betreiben», hält etwa Stefan Schweizer, Geschäftsführer der Regionalkonferenz Oberland Ost, fest. Die Regionalpolitik sei vielmehr langfristig darauf ausgerichtet, die Regionen darin zu unterstützen, die Herausforderungen des Strukturwandels zu bewältigen. Ähnlich äussert sich Rudolf Büchi, Regionalentwickler bei der Regiun Surselva: «Unsere Möglichkeiten, direkt etwas zur Linderung der Corona-Krise zu leisten, sind beschränkt.» Allerdings lässt sich auch feststellen, dass die bisherigen Massnahmen der NRP durchaus Wirkung zeigten. Dank durch die NRP geförderter gemeinsamer Buchungsplattformen und der Positionierung von Destinationen etwa konnten verschiedene Regionen die gestiegene Nachfrage von Schweizerinnen und Schweizern nach Sommerferien im Inland auch befriedigen. Und die NRP-Akteurinnen und -Akteure blieben nicht untätig: Verschiedene Regionen erstellten Online-Plattformen für die Vermarktung regionaler Produkte und Dienstleistungen. Schnell reagiert haben die Geschäftsstellen der Regionalen Innovationssysteme (RIS), indem sie etwa ihre Beratungsaktivitäten für krisengebeutelte Unternehmen ausgebaut haben. Im Vordergrund steht dabei insbesondere die Liquiditätssicherung der KMU und Start-ups. Die Innovationsberaterinnen und -berater unterstützen die Unternehmen aber auch im Bemühen, die Krise als Chance für Prozessoptimierungen und Transformations- und Innovationsprojekte zu nutzen.
Widerstandskraft der Regionen stärken
Noch hält die Pandemie an und die Ausgangslage für die Wintersaison ist schwierig. Die Bewältigung der Krise und ihrer Folgen wird Kraft kosten. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie Regionen widerstandsfähiger werden und Krisen wie diese mit wenig Schaden überstehen können, ein Aspekt, den «regioS» in der aktuellen Ausgabe in einem zweiten Hintergrundartikel zur Resilienz beleuchtet. Einen Schlüssel dafür, auf Krisen besser vorbereitet zu sein, sieht Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), im Gespräch mit «regioS» in der Diversifikation der Wirtschaft insgesamt und der einzelnen Branchen. Die Nachbarländer beschäftigt die Frage, wie die Resilienz von Regionen gesteigert werden kann, schon länger. Von ihren Erfahrungen und Methoden kann auch die Schweizer Regionalentwicklung profitieren. Inzwischen bemühen sich auch hierzulande verschiedene Akteure darum: Zu nennen sind etwa ein Projekt im Oberwallis im Rahmen der Modellvorhaben des Bundes oder das regiosuisse-Weiterbildungsmodul «Resiliente Regionen entwickeln».
Die Lösungsansätze umfassen nebst der Diversifizierung der Wirtschaft ein breites Massnahmenspektrum. Wie die Erfahrungen des Corona-Jahres zeigen, ist die Digitalisierung zunehmend wichtig. Im Jurabogen beispielsweise versucht das Projekt «Digital Arc Hub», die digitale Fitness von Unternehmen sichtbar zu machen und so Verbesserungen anzustossen. Die wichtigste Rolle spielt jedoch immer die Bevölkerung, sei es im Zuge der Qualifizierung der regionalen Akteurinnen und Akteure, wie sie von der NRP unter anderem mit dem Wissensmanagement von regiosuisse gefördert wird, oder des stärkeren Einbezugs der jungen Generation in die Entscheidungen zur regionalen Entwicklung. Das «Next Generation Lab» von regiosuisse hat diesbezüglich eine Möglichkeit aufgezeigt, wie das Ideenreservoir junger Erwachsener aktiviert werden kann.
Noch beansprucht die Corona-Krise unsere volle Aufmerksamkeit. Trotzdem sind wir alle gefordert, den Blick nach vorne zu richten und uns Gedanken zu machen, wie wir uns besser auf künftige Krisen und Herausforderungen vorbereiten.
- regiosuisse-Themendossier «Resilienz in der Regionalentwicklung»: www.regiosuisse.ch/resilienz
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