Die Plattform für Regionalentwicklung in der Schweiz

Das Wichtigste in Kürze
  • Die NRP-Förderung löst Investitionen in den Regionen aus und trägt zur Schaffung neuer und insbesondere zum Erhalt bestehender Arbeitsplätze bei. 
  • Die Projektträger engagieren sich finanziell und personell über die Projektperiode hinaus und tragen so längerfristig zu einer positiven regionalwirtschaftlichen Entwicklung bei. 
  • Die Projektträger können ihre direkten Investitionen und die im Projekt geschaffene Arbeitsplätze beziffern. Die für die Regionalentwicklung bedeutsameren indirekten und induzierten Effekte können im besten Fall grob geschätzt werden. 
  • Arbeitsplatzeffekte treten erst langfristig ein und gehen über die Förderperiode hinaus. Weiter wirken verschiedene unbeeinflussbare Faktoren auf die Regionen, die die Arbeitsplatzentwicklung ebenfalls beeinflussen.
  • Ein zu enger Fokus auf geschaffene Arbeitsplätze kann den Blick auf weitere Effekte versperren. Regiosuisse empfiehlt daher die die ganze Wirkungskette von der Projektorganisation, über die Erstellung des Produkts oder der Dienstleistung, bis zur erzielten Wirkung bei den Zielgruppen und in der Region in den Fokus zu rücken.

Arbeitsplätze – Was wird erhoben? 

Arbeitsplatzerhebung mit Augenmass

In der Politik und in Diskussionen in der interessierten Öffentlichkeit wird immer wieder die Frage gestellt, welchen Beitrag die Projekte der Neuen Regionalpolitik (NRP) und von Interreg-Programmen zur Arbeitsplatzentwicklung in den Regionen leisten. Arbeitsplätze zu erheben, die direkt auf ein Projekt zurückzuführen sind, ist eine herausfordernde Angelegenheit. Die Wirkungskette vom Einzelprojekt bis zur Wirkung  auf die regionale Wirtschaft ist lang, meistens komplex und wird zu einem grossen Teil auch von Faktoren ausserhalb des Projekts beeinflusst. 

Die durchgeführten Wirkungsmessungen und der Austausch mit den Projektträgern und Kantonen haben Folgendes gezeigt:

Das Thema Arbeitsplatzeffekte ist bei den Kantonen und Projektträgern in unterschiedlichem Mass präsent.
Kantone und Projekteträger machen zum Teil Schätzungen zu den möglichen Effekten, sofern diese möglich und sinnvoll sind. Jedoch werden diese nicht systematisch für alle Projekte durchgeführt. Zumal es dazu auch keine einheitliche und etablierte Methodik von Seiten der Wissenschaft und des Bundes gibt. Arbeitsplätze werden unter anderem erhoben, um Projekte besser beurteilen zu können. Jedoch sind die Arbeitsplatzeffekte nicht ausschlaggebend für die Projektbewilligung. Wichtiger ist eine überzeugende Projektidee mit potenziell regionalwirtschaftlicher Wirkung.
Bei den Arbeitsplatzerhebungen handelt es sich meistens um eine Schätzung durch die Projektträgerinnen und Projektträger.
Die ex-ante Schätzungen basieren auf Annahmen, Studien, ähnlichen Projekten anderer Kantone oder auf Angaben der Regionen. Darüber hinaus werden zu Projektbeginn weitere Verfahren wie Potenzialabschätzungen oder Analogieschlüsse im Vergleich zu anderen Projekten zum Beispiel anhand des Projektvolumens angewendet, um Arbeitsplätze zu schätzen. Bei den Schätzungen nach Projektabschluss werden zum Teil Umfragen bei betroffenen Projektpartnern und Unternehmen durchgeführt.
Bei den Projekten ist nicht nur die Schaffung neuer Arbeitsplätze, sondern auch der Erhalt bestehender Arbeitsplätze ein wichtiger Aspekt.
Gemäss den Projektträgern führen die Projekte oft nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplatze; diese konnten aber dank dem Projekt erhalten werden. In strukturschwachen Regionen kann bereits der Erhalt von Arbeitsplätzen als Erfolg gewertet werden. Einige Kantone erheben bewusst beide Kategorien – neue geschaffene und gesicherte Arbeitsplätze. 
Lange Wirkungskette und verschiedene Einflussfaktoren erschweren kausale Arbeitsplatzaussagen.
Je weiter man in der Wirkungskette voranschreitet, desto schwieriger wird es, kausale Aussagen zu den Arbeitsplatzeffekten zu machen, da zusätzliche Einflussfaktoren hinzukommen und die Wirkung sich erst mit Verzögerung einstellt. Eine Erhebung bei Projektabschluss greift daher zu kurz. Und nach Projektabschluss fehlt meist der Informationsfluss und die Fachstellen als auch zum Teil die Projekttragenden haben keine Kenntnisse darüber, welche Arbeitsplatzeffekte sich einstellen.

 

Welche Arbeitsplatzeffekte?

Drei Arten von Arbeitsplatzeffekten

Grundsätzlich können drei Arten von Arbeitsplatzeffekten unterschieden werden: 

Quelle: regiosuisse


Direkte Effekte durch die Projektträgerinnen und Projektträger bezifferbar

Die direkten Beschäftigungseffekte fallen bei den Projektträgern an. Bei den untersuchten Projekten werden bei den Projektträgern selbst zum Teil Stellen in geringem Umfang geschaffen. Der eher geringe direkte Beschäftigungseffekt dürfte massgeblich damit zusammenhängen, dass die Projektorganisationen respektive Unternehmen bereits vor der NRP-Förderung bestehen und sie die Projekte parallel zum Tagesgeschäft in den bestehenden Strukturen bearbeiten. Zudem widerspiegeln die Stellenangaben einen Zustand kurz nach Abschluss der Förderung. Die industriellen Projektträger betonen, dass die Schaffung von weiteren internen Arbeitsplätzen massgeblich vom Markterfolg ihrer Produkte abhänge und dass es durchaus möglich sei, dass sie in den kommenden Jahren weitere Arbeitsplätze schaffen werden. 

Projekte können durch Effizienzsteigerungen, z.B. bei Bergbahnprojekten (Gemmibahn, Gondelbahn Melchsee-Frutt, Télésiège La Fôret, Bergbahnen Obersaxen, Skigebietsverbindung Lenzerheide-Arosa) zu einer Reduktion von direkten Arbeitsplätzen führen, da weniger Personal zum Betrieb der Infrastruktur benötigt wird. Diese Besonderheit kann bei Projekten beobachtet werden, wo die Modernisierung der Infrastruktur zu einem schlankeren Betrieb führt. Eine Reduktion von direkten Arbeitsplätzen ist über alle betrachteten NRP-Projekte jedoch eher die Ausnahme.  

Durch Effizienzsteigerung wird weniger Personal für den Infrastrukturbetrieb benötigt.
Quelle: Wolfgang Loretan, Gemmi Lodge 2350

 

Indirekte und induzierte Arbeitsplatzeffekte schwer abschätzbar

Die indirekten Beschäftigungseffekte werden bei Vorleistungserbringern und durch induzierte Effekte durch Konsumausgaben ausgelöst. Diese Effekte lassen sich kaum quantifizieren. Dazu sind die Wirkungszusammenhänge zu komplex. Gemäss den Projektträgern dürften die Projekte insbesondere indirekte Effekte auslösen und in erster Linie zum Erhalt bestehender Arbeitsplätze beitragen und erst in zweiter Linie neue schaffen. Die Einschätzungen der Projektträger und die durchgeführten, einfachen regionalwirtschaftlichen Analysen deuten darauf hin, dass der Umfang der indirekten Effekte denjenigen der direkten übersteigt. Gerade bei Tourismusprojekten profitiert eine Vielzahl von Akteuren wie Gastronomie und Hotellerie von den Projekten. Auch die Industrieunternehmen merken an, dass sie ihre Vorleistungen zum Teil von Unternehmen aus der Region beziehen und die Projekte zum Erhalt der Arbeitsplätze beitragen. Vorleistungen, konzeptionelle Arbeiten und vernetzende Tätigkeiten können von zentraler Bedeutung sein, um den Nährboden für wertschöpfungssteigernde und arbeitsplatzfördernde Projekte zu schaffen.

Durch NRP-Projekte können auch Arbeitsplätze bei Zulieferbetrieben geschaffen oder erhalten werden.
Quelle: Brextor, BRC Engineering AG


Ausgelöste Investitionen  und regionale Wertschöpfung? 

Projekte lösen Investitionen über die Projektdauer hinaus aus …

Die Thematik der Arbeitsplatzeffekte ist eng verknüpft mit den Themen Investitionen, Unternehmensgründungen und regionaler Wertschöpfung. Letztendlich können über ausgelöste Investitionen wiederum Arbeitsplätze geschaffen werden und führen Unternehmensgründungen oder Neuansiedlungen zu zusätzlichen Arbeitsplätzen.

Die Wirkungsmessungen haben gezeigt, dass durch die Interreg- und NRP-Projekte Investitionen in den Regionen ausgelöst werden, indem die beteiligten Projektpartner neben der NRP-Förderung selbst massgeblich personelle und finanzielle Ressourcen (bei den Industriebetrieben auch in Form von Vorprodukten) investierten. Die getätigten Investitionen und damit auch die Hebelwirkung variieren stark zwischen den Projekten. 

  • Bei der Skigebietsverbindung wurden neben dem zinslosen Darlehen von 4 Mio. CHF und einem à-fonds-perdu-Beitrag von 1 Mio. CHF zusätzliche Investitionen im Umfang von 18 Mio. CHF getätigt (Gemeinden und Unternehmen). 
  • Bei den 2018 untersuchten Industrieprojekten betrugen die Investitionen das 1,5 bis 2-fache des à-fonds-perdu-Beitrags der NRP. 
  • Bei den beiden 2017 untersuchten Tourismusprojekten wurden pro 1 CHF à-fonds-perdu-Unterstützung 1,5–2,5 zusätzliche Schweizerfranken investiert. 

Diese Zahlen beziehen sich jedoch nur auf die direkten Investitionen der Projektträger. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die Industrieprojekte auch bei den Vorleistungserbringern weitere Investitionen ausgelöst haben. Von den Projektträgern konnten diese jedoch nicht beziffert werden. Die meisten Vorhaben werden zudem über die NRP-Förderphase hinaus weiterverfolgt und sorgen dadurch für weitere Investitionen. Somit handelt es sich bei den oben erwähnten Grössen um eine defensive Schätzung der Hebelwirkung.

… und tragen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und regionaler Wertschöpfung bei

Die Projektträger können Aussagen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Umsatz in ihren eigenen Strukturen machen. Quantitative Aussagen zu den regionalwirtschaftlichen Auswirkungen (Impact-Ebene in der Evaluationssprache) können von den Projektträgern nicht erwartet werden. Entsprechend wurde im Rahmen der Wirkungsmessungen zusammen mit den Projektträgern versucht Schätzungen vorzunehmen oder anhand der Wirkungskette qualitativ zu begründen, zu welchen Wirkungsdimensionen ein Beitrag geleistet werden kann.

NRP -Projekte können einen Beitrag zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und Vernetzung leisten
Quelle: PST-FR


Verschiedene Projektträger erwähnen, dass sie ohne die NRP-Projekte und die dadurch realisierten Produkte und Dienstleistungen an Wettbewerbsfähigkeit verloren hätten. Die Projektträger gehen davon aus, dass sich ihre Projekte nicht nur auf das eigene Unternehmen, sondern auch auf weitere in der Region positiv auswirken und zumindest zum Erhalt bestehender Unternehmen beitragen. Auch die Kompetenzzentren und Vernetzungsplattformen wie dem PST-FR tragen mit ihren Beratungsdienstleistungen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der bestehenden Unternehmen bei. Die Schaffung neuer Unternehmen ist jeweils nicht direkt Ziel der Projekte, ergibt sich aber als Folgeeffekt. So kann zum Beispiel das Vorhandensein eines Kompetenzzentrums wie KEEST oder die Förderung des Plasturgie-Sektors im Berner Jura einen Beitrag zur Ansiedlung von Unternehmen in den jeweiligen Branchen leisten. 

Die Mitfinanzierung von Bergbahnen kann zum Bau von neuer Hotels führen, wie zwei Beispiele aus der Lenzerheide und der Melchsee-Frutt zeigen. Die NRP-Projekte sind hier nicht die einzigen Auslöser, tragen aber zu einer positiven Entwicklung in den Regionen bei.

 

Wirkung breiter denken

Kennzahlen zu geschaffenen Arbeitsplätzen kaum sinnvoll

Kennzahlen wie «geschaffene Arbeitsplätze pro Million Fördermittel» sind nicht aussagekräftig und auch zwischen den Kantonen nicht vergleichbar. Zudem stellen die NRP- und Interreg-Fördermittel nur einen Teil der finanziellen Projektmittel dar und tragen daher auch nur einen Teil zur Wirkung bei. Häufig haben die NRP-Mittel eine verstärkende Wirkung, indem sie andere Finanzierende motivieren, sich ebenfalls am Projekt zu beteiligen. Die NRP-Fördermittel sind eine Art Gütesiegel und ermöglichen das Zustandekommen von Projekten.
 

Realistische Erwartungen an Beschäftigungseffekt haben

Bei einigen Projekten, die mehrmals besucht wurden oder die bereits abgeschlossen sind, kann festgestellt werden, dass sich gewisse Erwartungen zu den Beschäftigungs- und Umsatzeffekten nicht realisieren liessen. Die Gründe dazu sind vielfältig: Die Businesspläne waren zu optimistisch, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen veränderten sich im Zeitverlauf, exogene Faktoren entwickeln sich negativer, die Kundenbedürfnisse sind anders als angenommen, die Zielsetzungen verändern sich im Projektverlauf oder die Wirkung stellt sich weniger schnell ein, als erwartet.
 

Die ganze Wirkungskette im Fokus haben 

Aus all diesen Gründen kann ein zu enger Fokus auf geschaffene Arbeitsplätze den Blick auf weitere Effekte versperren. So sendeten bei den untersuchten Bergbahnprojekten die Investitionen in die Infrastruktur ein positives Zukunftssignal für die Region und begünstigten z.B. Investitionen in die Hotellerie. In diesem Beispiel konnten indirekte und induzierte Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden. 

Daher fokussieren die Wirkungsmessungen von regiousisse auf die ganze Wirkungskette von der Projektorganisation, über die Erstellung des Produkts oder der Dienstleistung, bis zur erzielten Wirkung bei den Zielgruppen und in der Region. Auf der Wirkungsebene werden nicht nur die Arbeitsplätze, sondern weitere Aspekte wie die Qualität und Intensität der Vernetzung in der Region, die Impulswirkung auf weitere Akteurinnen und Akteure oder der Beitrag zur Attraktivitätssteigerung als Wohn- und Lebensraum betrachtet. 

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